Herforder Chronik (1910)/460

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Herforder Chronik (1910)
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Stamm dadurch rein zu erhalten, daß sie nur unter sich heirateten, doch konnte dies Bestreben nicht aufrechterhalten werden. Es ist heut keine einzige Familie mehr vorhanden, die beiderseits, von seiten des Mannes und der Frau, ihren Stammbaum direkt auf jene Eingewanderten zurückführen könnte.

Wie sie aber einerseits mit den Westfalen in Fleiß und wirtschaftlichem Sinn, in Anhänglichkeit an den preußischen König wetteifern, so bewahren sie anderseits treu das Andenken an die von ihren Vorvätern verlassene Heimat. Immer noch leuchtet etwas wie Stolz ans ihren Worten, wenn die Rede darauf kommt, daß sie Abkömmlinge jener Männer aus der rheinischen Ebene sind. Ihr freudiges Aufschauen ist zu verstehen, wenn in der westfälisch-blondhaarigen Kinderschar zuweilen ein Schwarzkopf mit bräunlicher Gesichtsfarbe auftaucht, dem der „Durlacher“ aus den dunklen Augen schaut.

Ihre ursprünglichen Sitten und Gebräuche bei Kindtaufen und Hochzeiten, so wenig sie vielleicht überhaupt von den hiesigen verschieden waren, sind gänzlich in den unsrigen aufgegangen, nur wenn einer aus ihrem Kreise stirbt, tritt noch eine Besonderheit hervor. In solchem Falle darf nur ein „Durlacher“ die übrigen zur Beerdigung einladen, die sich dann an der Bahre des Verblichenen versammeln, um ihn gemeinsam zur ewigen Ruhe zu tragen.

In ihrer Sprache findet sich kein Anklang mehr an die Mundart ihrer Vorfahren. Ein einziger Sprachrest ist überliefert, ein Kinderverschen, das jedoch in seinem heutigen Gewände nur noch ganz schwach an die Behaglichkeit der Verse Joh. Peter Hebels, des Landsmannes unserer Durlacher, anklingt:

„Es ging ein Tilletöpfele[1] übers Wegele.
Da kam ein Regentröpfele
Und schlug dem Tilletöpfele auf sein Köpfele,
Daß das Tilletöpfele
Wieder heimwärts höpfele.“

Kriegskosten-Tilgung.

Die großen Opfer, welche viele Städte der preußischen Monarchie während des siebenjährigen Krieges bringen mußten, hatten ihnen erhebliche Schuldenlasten aufgebürdet. Und noch sahen sich unmittelbar nach dem Friedensschluß manche von ihnen nicht in der Lage, die Schulden abzutragen, weil Handel und Wandel darniederlagen, Ackerbau und Viehzucht vorerst nur geringe Erträge einbrachten und der Kredit fehlte. In dieser Not richteten sich die Augen aller, auch die der Herforder, auf den König, von dem bekannt war, daß er helfen wollte. Allein bei der Knappheit seiner Mittel mußte er die Städte zum

  1. Vielleicht unser niederdeutsches Tiletappe, ein närrischer Kauz, hier die Ameise.