Herforder Chronik (1910)/459

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Herforder Chronik (1910)
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Die Besiedelung der Herforder Heide.

Wie Friedrich der Große bis an sein Lebensende in unausgesetzter Sorge bemüht war, die schrecklichen Folgen des Kriegselends zu mildern, ist weltbekannt. In alle Teile des Landes drang sein forschendes Auge und sein scharfer Verstand ließ ihn jederzeit die richtigen Mittel finden, Zertretenes aufzurichten und Neues aufzubauen.

Auch Herford sollte diese Fürsorge des Königs erfahren. Bei uns hatte die vor unseren Toren sich ausbreitende sog. Herforder Heide, welche in den menschenmordenden und länderverwüstenden Kriegen des 17. und 18. Jahrhunderts fast entvölkert und verödet worden war, die Blicke des Königs auf sich gezogen. Sehr erwünscht war es ihm nun, als sich Familien fanden, welche bereit waren, sich auf jenem Landstriche anzusiedeln. Sie kamen weit her, diese Einwanderer, nämlich von den Abhängen des Schwarzwaldes, aus der Markgrafschaft Baden-Durlach.

Zwischen Markgraf Karl Wilhelm, der in Durlach residierte, und den Durlachern waren Zwistigkeiten ausgebrochen, infolge deren der Markgraf seine Landeshauptstadt Durlach, ein winziges Örtchen, verließ, um mit seinem ganzen Hofhalte nach seinem nicht weit entfernten, i. J. 1715 erbauten Jagdschlosse an den östlichen Abhängen des Schwarzwaldes zu übersiedeln. Mit dieser Verlegung seiner Residenz legte er, freilich unbewußt, den Grund zu der aus dem erwähnten Jagdschlosse erwachsenden Hauptstadt Karlsruhe. Die nächste Folge aber war der Niedergang Durlachs. Obwohl die Durlacher in fruchtbarer Gegend wohnten, hatten sie, so scheint es, nur von dem markgräflichen Hofe gelebt. Nun, anstrengender Arbeit entwöhnt, kamen sie in ihren Verhältnissen derart zurück, daß ein Teil von ihnen in andere Länder auszuwandern beschloß.

Bei diesem Suchen nach neuen Heimstätten begegneten sie den Wünschen des Königs Friedrich II., der sie einlud, sich auf der Herforder Heide niederzulassen. Die Gründe des Verlassens ihrer Heimat waren also nicht, wie irrig angenommen wird, religiöse Bedrängnisse, sondern, was auch eine briefliche Mitteilung des Durlacher Stadtpfarrers Specht (19. Dez. 1908) bestätigt, wirtschaftlicher Art.

Nach Abwicklung der damals umständlichen Formalitäten wanderten nun im Jahre 1771 elf Durlachsche Kolonistenfamiliecn hier ein, unter denen die Familien Friedrich und Christian Ehrlich (heut Ehrler genannt) eine führende Rolle gespielt zu haben scheinen. Es wurden einem jeden 10 Morgen oder 15 Scheffelsaat Landes auf der Herforder Heide zum „Etablissement“ angewiesen und ihnen 15 Freijahre (d. i. Freiheit von der Kontribution) zugesichert.

In den nunmehr 140 Jahren ihrer Niederlassung auf westfälischer Erde haben die Durlacher ihr süddeutsches Wesen abgestreift und infolge der vielfachen Verbindungen mit den Ureingesessenen westfälische Sitte und Art angenommen, - ihre Nachkommen sind gute Westfalen geworden. Einige Familien der Eingewanderten zwar hatten anfangs versucht, den oberdeutschen