Die Probstei in Wort und Bild/119
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jetzt noch nicht ganz wollene Zeuge verfertigen können, welches doch für unsere jetzigen Bedürfnisse äußerst wichtig wäre. Auch zeichnet sich ein Probsteier als Schönfärber rühmlich aus.
Mehrere Probsteierinnen haben im Spinnen und Nähen recht viele Fertigkeit, einzelne auch im Sticken der bunten Namen und Zieraten, womit besonders die Schürzen prangten; eine große Anzahl ernährt sich vom Strohflechten und der Verfertigung von Strohmatten und ordinären Strohhüten, von denen in den letzten Jahren besonders eine große Menge abgesetzt wurde. Auch bereiten viele unserer Hausfrauen einen recht guten Bieressig, meistens nur für die Bedürfnisse ihrer Haushaltungen, doch treiben mehrere Krüger der Probstei damit ein bedeutendes Gewerbe. Die Krüger zu Stakendorf und Bendfeld sollen den beträchtlichsten Absatz haben. Erst seit diesem Sommer verfertigt ein Eingesessener in Schönberg einen äußerst schmackhaften und nach dem Urteil mehrerer Kenner vorzüglich guten Weinessig, von dem er die Bouteille zu 5 β verkauft.
Nationalcharakter der Probsteier.
Ein Nationalcharakter kann eigentlich nur so lange existieren, als die Nationalverbindung eng und innig und die Anhänglichkeit an die Eigentümlichkeiten allgemein herrschend ist; er verwischt sich, so wie jene sich löst, und diese der Nachahmung fremder Sitten weichen muß. So auch hier. Nach allen Nachrichten, die ich mir habe verschaffen können, nach allen Beobachtungen und nach den Schlüssen, zu denen mich jene, wie diese, berechtigen, waren im Charakter der alten Probsteier alle jene Eigenschaften vereint, welche man bei schlichten, geraden, einfach und der Natur gemäß lebenden, wohlhabenden, dabei auf sich selbst und ihre Umgebung zurückgezogenen Landleuten anzutreffen pflegt. Ihnen waren alle Beschränkungen eines Volks, das auf einer niederen Stufe der Kultur steht, mancher Aberglaube, manches Vorurteil, besonders ein steifes Festhalten am Herkommen, eigen; aber dafür hatten sie auch jene liebenswürdigen Vorzüge eines der Natur getreuen Volkes: treuherzige Biederkeit, offene Zutraulichkeit, unermüdete Arbeitsliebe, unerschütterte Redlichkeit und natürliche Gutmütigkeit. Ihr ganzes Benehmen bezeichnete ein gewisses Kraftgefühl, das wohl mitunter in Derbheit ausartete, auch erzeugte das Gefühl ihres Wohlstandes wohl zuweilen einen Uebermut, doch immer blieben die Vorzüge ihres Charakters überwiegend. Seit sie mehr und allgemeiner unter fremde Umgebungen in fremde Verbindungen auf dem Schauplatz der größeren Welt gekommen sind, haben sie mehr fremdartige Eindrücke, manche vorteilhafte, aber manche nachteilige aufgenommen; das Nationelle weicht immer mehr den Formen, welche weitschichtigere Verhältnisse und buntere Umgebungen ihnen geben, und diese sind wieder so mannigfaltig verschieden, daß es weit schwerer wird, über die Probsteier, wie sie sind, ein Urteil zu fällen, als eine Charakterschilderung der Probsteier, wie sie waren, zu geben. Indeß immer bleiben sie im ganzen ein braves, achtungswürdiges Völkchen. Sie sind nicht bloß für äußere Verfeinerung, sondern auch für Geistesbildung sehr empfänglich, und, wenngleich eine gewisse, in einzelnen Fällen an Starrsinn grenzende Unbiegsamkeit in ihrem Charakter zu liegen scheint, dennoch sehr lenksam, wenn sie ein redliches Bestreben, für ihr Wohl thätig zu sein, bemerken, und es ist sehr leicht, sich ihr Zutrauen, ihre Liebe zu erwerben. Sind sie gleich von den nachteiligen Einwirkungen des Zeitgeistes in Rücksicht auf Religiosität nicht ganz frei geblieben, so zeichnen sich doch die meisten noch durch Liebe zur gemeinschaftlichen Gottesverehrung und zur Religion selbst aus. Ebenso fahren sie immer noch fort, sehr arbeitsam und thätig zu sein, wenn auch bei mehreren einzelnen sich sichtliche Spuren der Verweichlichung zeigen. Auch haben Sinnlichkeit, Leichtsinn und Selbstsucht bei dem größeren Teil noch nicht Gefühl für das Bessere und Sinn für Rechtlichkeit erstickt. Mögen sie durch den Druck der Zeit nicht vermindert, nein, verstärkt und befestigt werden! Ja, ihr guten Probsteier, strebt, euch einen frommen, für Recht und Pflicht warm und innig fühlenden Sinn, als das unschätzbarste, über jede Gewalt des Wechsels und der Zerstörung erhabene, Eigen-