Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte/3/032
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Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte | |
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Unterwerfung unter die Schrift steckten, weit hinausschweifte, mit Hintansetzung des geschriebenen Worts auf ein Walten des Geistes sich berief, in Folge davon alle bisherigen äußerlichen Ordnungen, selbst die Sacramente, geringschätzte, und einen Zustand anstrebte, in welchem nach Beseitigung alles dessen, was als äußeres Hemmniß betrachtet wurde, eine Darstellung des Gottesreiches in einem Kreise besonders Erleuchteter verwirklicht werden sollte. Es waren die Männer, welche jene Richtung vertraten und derselben folgten, auf dem damaligen kirchlichen Gebiete etwa solche, die man in unsern Zeiten Radicale nennen würde, und es darf nicht befremden, wenn von der Partei der Conservativen sie sehr häufig mit dem Namen der Schwärm-Geister belegt wurden. Die Keime jener Richtung lagen aber bereits in früheren Zuständen, und es bedurfte nur einer Gährung, wie die Reformationszeit sie mit sich brachte, um jene Keime ans Tageslicht hervortreten zu lassen, und ihr Wachsthum sehr zu fördern. Eine große Gefahr für den Fortgang des Reformationswerks lag in dieser Richtung, und die Erfahrung zeigte, daß wo derselben nicht mit Entschiedenheit entgegengetreten wurde, sie in Bahnen einlenkte, welche zu heilloser Auflösung und revolutionärem Umsturz hinführten, wie dies namentlich in Münster, wo diese Richtung eine Zeitlang zur Herrschaft gelangte, bekanntlich der Fall gewesen ist.
Etwas von jener Richtung zeigte sich hier schon bei dem vorhin erwähnten Mönche Friederich, der in Schleswig auftrat, doch am meisten, wie bemerkt, bei Melchior Hoffmann.[1] Von Geburt war er ein Schwabe, seines Handwerks ein Kürschner, Pelzer, oder wie man hier zu Lande sagt, Buntfutter, jedenfalls ein offener Kopf und nach seiner Art nicht ohne Kenntnisse. Er war von einer großen natürlichen Beredsamkeit, von Charakter unerschrocken und von sittlichem Lebenswandel, aber dem Fanatismus stark zugeneigt,
- ↑ Ueber Melchior Hoffmann und die durch ihn erregten Unruhen findet sich hin und wieder Vieles in einheimischen, wie in auswärtigen Schriften, fleißig citirt von Carstens in dem Abschnitte die Hoffmannsche Controverse betreffend in seiner Abhandlung: „Die evangelisch-lutherische Reformation in Schleswig-Holstein“ in den Nordalbingischen Studien II, 134—140. In Kraffts zweifachem 200jährigen Jubelgedächtniß S. 105—116 findet sich auch eine Zusammenstellung der Hauptsachen, sowie in den Beilagen mehrere auf diese Streitigkeit bezügliche Documente mitgetheilt sind, namentlich Nr. VIII, S. 440 ff. Hoffmanns Vorrede zum 1. Capitel des Evangelisten Matthäus, Nr. IX, X und XI, S. 446—448, Luthers Briefwechsel in dieser Angelegenheit.