Rößel (Landkreis Rößel)
Hierarchie
Regional > Historisches Territorium > Deutsches Reich > Ostpreußen > Regierungsbezirk Allenstein > Landkreis Rößel > Rößel
Einleitung
Allgemeine Informationen
- Die Stadtgemeinde Rößel gehörte zum Landkreis Rößel im Regierungsbezirk Allenstein.
Seit 1945 gehört die Stadt zu Polen und der polnische Name ist Reszel. [1]
Zur Stadtgemeinde Rößel gehörten folgende Güter und Wohnplätze: [2]
- Die Stadt liegt an der Zaine.In der Nähe von Rößel liegt der Wallfahrtsort Heiligelinde.
Wappen
Das Wappen zeigt in Silber einen aufgerichteten, goldenen Bischofsstab, an dem ein schwarzer Bär emporklimmt.
Politische Einteilung
Ab 1945
- Es gibt zwei Verwaltungseinheiten in Rößel :
- die selbstständige Stadt Rößel (polnsch: miasto Reszel)
- Die Stadt- und Landgemeinde Liebstadt (gmina miejsko-wiejska Reszel)
- im Landkreis Rastenburg (polnisch: Powiat kętrzyński) in der Provinz Ermland-Masuren (polnisch: Województwo warmińsko-mazurskie).
- Zur Stadt-Landgemeinde Rößel (polnisch: Gmina miejsko-wiejska Reszel) gehörten folgende Sołectwa: Bezławki, Dębnik, Klewno, Leginy, Łężany, Mnichowo,
- Pieckowo, Pilec, Plenowo, Ramty, Robawy, Siemki, Święta Lipka, Tolniki Małe, Widryny, Wola, Worpławki und Zawidy. [3]
Von 1818 bis 1945
- Am 1.2.1818 wurde der Kreis Rössel gegründet, er löste den Heilsberger Kreis ab. Zum Kreis Rössel gehörten die Kirchspiele: Seeburg und Filiale Lockau, Bischofsburg, Frankenau, Prositten, Lautern, Freudenberg und Filiale Flemmjng, Gross-Bessau, Rössel, Bischofsstein, Plausen, Sturmhübel, Santoppen, Glockstein und Filiale Schellen, Legienen, Gross-Kellen.
- Der Kreis Rössel gehörte ab 1808 bis 30.10.1905 zum Regierungsbezirk Königsberg, ab 1.11.1905 bis 1945 zum neugebildeten Regierungsbezirk Allenstein. [4] [5]
- 18.3.1857, Königsberg: Amtsblatt der königlichen preußischen Regierung zu Königsberg, 1857, No.12, Verordnung No.57
- Betrifft die Verlegung des landräthlichen Büreaus, im Kreise Rössel
- Wir bringen hierdurch zur allgemeinen Kenntniß, das vom 1sten April c. ab der Sitz des Landraths-Amts, Rösseler Kreises,
- von dem Gute Bansen nach der Kreisstadt Rössel verlegt wird. [6]
Verwaltung
Standesamt Rößel
- Rößel gehörte zum Standesamt Rößel.
- Das Standesamt Rößel wurde am 1.10.1874 gegründet und bestand bis 1945.
- Zum Standesamt Rößel gehörten folgende Orte : Rößel, und .... [7]
- Für die noch existierenden Dokumente des Standesamtes siehe: Standesamtsunterlagen Rößel
Einwohnerzahlen
Gesamt | kath. | evangl. | Juden | Sonstige | |
---|---|---|---|---|---|
1820 [8] | 2721 | - | - | - | - |
1875 | 3557 | - | - | - | - |
1880 [9] | 3590 | - | - | - | |
1890[9] | 3474 | 2397 | 987 | 90 | - |
1900 [10] | 4457 | - | - | - | - |
1905 [7] | 4293 | - | - | - | - |
1933[9] | 4766 | - | - | - | - |
1939[9] | 5045 | - | - | - | - |
Gericht
Domänen-Justizamt Rößel (1772-1824)
Stadtgericht Rößel (1772-1824)
Land- und Stadtgericht Rößel (1824 - 1849)
- 17.2.1824, Königsberg: Amtsblatt der königlichen preußischen Regierung zu Königsberg, 1824, No.13, Verordnung No.74
- Einrichtung eines Land- und Stadtgerichts zu Rößel
- Gemäß Verfügung des Herrn Justizministers Excellenz vom 5ten Dezember v.J. sind die Königl. Stadtgerichte zu Rößel und zu Bischofstein und das Königl. Justizamt Rößel
- zu einem Königlich. Land- und Stadtgerichte daselbst vereinigt, dessen Gerichtsbezirk
- die Städte Rößel und Bischofstein, und
- die Kirchspiele Bischofstein, Glockstein, Groß-Kellen, Legienen, Plausen, Rößel, Santoppen und Sturmhübel,
- mit Ausnahme der innerhalb derselben gelegenen adelichen Ortschaften,
- umfaßt, und welches außerdem noch die Patrimonialgerichte der adelichen Güter
- Bansen, Bergenthal und Klein-Kellen
- als für sich bestehende Gerichte verwaltet.
- Bei diesem sind angestellt:
- als Land- und Stadtrichter, der bisherige Justizamtmann Rosocha;
- als Assessor, der bisherige Justizamts-Aktuarius Späth;
- als Kanzelist und Protokollführer, der gewesene freiwillige Jäger Skerle,und
- als zweiter Gerichtsdiener und Landreiter, der bisherige Amts-Landreiter Forselius,
- vorläufig auch
- als Registrator und Protokollführer, der bisherige Registratur-Gehülfe Plehwe;
- als Deposital und Sportulkassen-Rendant, Ingrossator und Protokllführer, der bisherige Schreiber und Protokollführer Pörschke,und
- als erster Gerichtsdiener und Gefangenwärter, der invalide Unteroffizier Polenz. [11]
- 27.5.1828, Königsberg: Amtsblatt der königlichen preußischen Regierung zu Königsberg, 1828, No.25, Verordnung No.102
- Patrimonial-Gerichtsbarkeit der Güter Haselau, Paplaucken, Klein-Klitten, Bareicken und Loszainen
- Gemäß Reskript des Herrn Justiz-Minister Excellenz vom 28sten Juni d.J. ist die von den Besitzern der adlichen Güter
- Haselau, Paplaucken, Klein-Klitten, Bareicken und Loszainen
- erklärte Abtretung der Patrimonial-Gerichtsbarkeit dieser Güter an den Staat, mit dem gänzlichen Erlaß aller Lasten der Civil- und
Kriminal-Jurisdiktion genehmigt, und mit Vorbehalt des erimirten Gerichtsstandes der vierr erstgenannten Güter und ihrer Besitzer
bei dem Köngl. Oberlandesgericht von Ostpreußen, und des adelichen Gutes Loszainen und seiner Besitzer bei dem Fürstbischöfl.
Ermländischen Landvogteigerichte zu Heilsberg die Jurisdiktion in dem Umfange- der adelichen Güter Haselau und Paplaucken dem Königlichen Land- und Stadtgerichte zu Heiligenbeil,
- des adelichen Gutes Klein-Klitten dem Königlichen Land- und Stadtgerichte in Domnau,
- des adelichen Gutes Bareickendem Köngil. Landgerichte zu Königsberg, und
- des adelichen Gutes Loszainen dem königl. Land- und Stadtgerichte in Rößel
- übertragen. [12]
- 26.9.1838, Königsberg: Amtsblatt der königlichen preußischen Regierung zu Königsberg, 1838, No.44, Verordnung No.199
- Die Verwaltung des Patrimonialgerichts Worplack betreffend
- Die Verwaltung des Patrimonialgerichts Worplack ist dem Königl. Land- und Stadtgerichte zu Rössel vom 1sten Mai d.J. ab
mittelst Rescripts des Herrn Justiz-Ministers Mühler Excellenz vom 8ten September d. J. übertragen worden. [13]
Amtsgericht Rößel (1879-1945)
Mit der Verordnung vom 27.1.1877 ( RGBl.41 ) wurden die alte Rechtsordnung außer Kraft gesetzt. Die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte, der Landgerichte und Amtsgerichte wurde mit der Verordnungen vom 24.04.1878 festgelegt. Darauf hin wurde 1879 das Amtsgericht Rößel gegründet.
Das Amtsgericht war für foldgende Sachen zuständig:
- Rechtsstreitigkeiten (einschließlich Eigentums -, Pacht- , und Arbeits-Streitigkeiten)
- Strafsachen ,einschließlich Straftaten, die mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Monaten bestraft wurden oder einer mit einer Geldstrafe bis zu 600 Mark, Diebstahl, wo der Wert der gestohlen Ware nicht höher als 520 Mark sein durfte, Unterschlagung und Betrug wo der Wert nicht höher als 520 Mark sein durfte.
- nicht strittige Zivilsachen wie, Grundbücher , die Registrierung von Verbänden, Unternehmen , Verbände, Erbfällen , Beglaubigung von Dokumenten und Abschreibungen.
Streitigkeiten, die diesen Rahmen überschritten, wurden an das Landgericht in Bartenstein verwiesen.
Das Amtsgericht arbeitete bis 1945.
Die Akten wie Gerichtsakten, Grundbücher ,Erbfälle, Testamente, Beglaubigung von Dokumenten und Abschriften vom Amtsgericht Seeburg sind noch teilweise erhalten. Sie befinden sich im Staatsarchiv Allenstein (Archiwum Państwowe w Olsztynie).
Siehe Link des Staatsarchiv: [1]
Kirchliche Einteilung/Zugehörigkeit
Evangelische Kirchen
Evangelisches Kirchspiel Rößel
- Rößel gehörte zum evangelischen Kirchspiel Rößel.
- Zum evangelischen Kirchspiel Rößel gehörten folgende Orte : Rößel, und ....[7]
- Für die noch existierenden Dokumente des Kirchspiels siehe: Kirchbuchbestände Rößel
Schulorte
Friedhöfe
Kirche (ev.)
- Evangelische Kirche im Südflügel der Burg, im Ostflügel die Pfarrerswohnung.
Katholische Kirchen
Katholisches Kirchspiel Rößel
- Rößel gehörte zum Kirchspiel Rößel, St. Peter und Paul (rk).
- Zum katholischen Kirchspiel Rößel gehörten folgende Orte : Rößel, und ....
- Für die noch existierenden Dokumente des Kirchspiels siehe: Kirchbuchbestände Rößel
Kirche (rk.)
- Die katholische Kirche erhebt sich hoch über den Zaine-Fluss. Sie hatte unter dem Stadtbrand 1806 schwer gelitten und wurde 1817 von Bischof von Hatten neu eingeweiht.
Geschichte
Name
- Der Name ist prußisch und deutet auf ein Rodungsgebiet, auch wenn ein prußisches Wort nicht überliefert ist (vermutlich "res, resis, resel"),
- vgl. dazu litauisch "režtis" = Streifen Feld, Streifen Acker, Einschnitt, Kerbe, Riss
Burg
- Die Steinerne Ordensburg entstand an Stelle einer Prußenburg. In der Mitte der Westfront befand sich der Torturm mit Fallgitternische. Auf der Nordwestecke stand der Bergfried, der unten quadratisch und oben rund erbaut war. Sehr viel später wurde er mit einem Spitzdach versehen. Als das Ermland 1772 zu Preußen kam, wurde aus der Burg eine Strafanstalt, die 1807 ausbrannte und 15 Jahre als Ruine stehenblieb.
Fürstbistum Ermland (1395 - 1772)
Selbständiges Ermland bis 1466
- 1240-41: Rössel wird als Burg gegründet. [16]
- 1262: Die Burg Rössel wurde von der Besatzung verlassen und und wurde abgebrannt. [16]
- 1336: Rössel wird erneut gegründet. [16]
- 12.Juli.1337,Heilsberg: Das Domkapitel von Ermland und der Vogt Heinrich von Luter übertragen an Elerus die Gründung der Stadt Rössel in der Landschaft Barten zu culmischen Recht mit dem kleinen und einem Drittel der grösseren Gerichte. Zur Stadtfreiheit gehören 30 Hufen. Von den anderen verlieheenen 80 Hufen sind 8 in Folge der Besetzung, 2 aus besonderer Gunst und 6 zur Pfarre frei, die übrigen 64 zinsen nach 10 Freijahren auf Mariae Lichtmess eine halbe Mark jede an den Bischof und dem Domkapitel. Der Schulze allein hat die Jagd, die Einwohner dagegen die Fischerei für ihren Tisch mit kleinem Gezeuge in den Zain-See und den angrenzenden Seen frei. Vom Kaufhause, den Brod-,Fleisch- und Schuhbänken, der Wage und der Badstube wird der Zins zwischen der Herrschaft, dem Schulzen und der Stadt getheilt. Von einer Mühlenanlage am Bach unterhalb der Stadt, so wie von allen anderen derartigen Anlagen innerhalb einer halben Meile hat der Schulz gegen den dritten Theil der Kosten auch den dritten Theil des Ertrages. Übermass verbleibt für einen gleichmässig erhöhten Zins bei der Stadt; Untermass soll vollgemacht werden. Rath und Bürger dürfen ohne Genehmigung der Herrschaft und des Schulzen keine Wallkühren machen. [17]
- 18.August.1348,Braunsberg: Hermann, Bischof von Ermland, bestädigt mit Zustimmung seines Domkapitels, die durch Heinrich von Luter in Barten gegründete Stadt Rössel. [18]
- Zwischen 1350 und 1355 wurde an die Stelle einer hölzernen Prußenburg eine steinerne erbaut, in deren Nordwest-Ecke ein unten quadratischer und oben runder Bergfried stand.
- 1355 Erweiterung der Ordensburg um eine Süd- und Ostflügel.
- Um die Mitte des 14. Jh. ließen sich Augustiner-Mönche hier nieder, deren Orden zur Zeit Herzog Albrechts verfiel.
- 1373 wird das Augsutinerkloster durch Feuer zerstört und danach stattlicher wieder aufgebaut.
- 1399: Der erste Pfarrer in Rössel hieß Johannes. [16]
Ermland unter polnischer Herrschaft 1466-1772
- Zur Zeit von Herzog Albrecht (1490-1568) verfiel der Augustinerorden in Preußen.
- 1533 übergibt Bischof Mauritius Ferber das Kloster der Stadt.
- 1626 bezogen vor den Schweden fliehende Jesuiten das Ordenshaus
- 1631 gründen die Jesuiten ein neues Kollegium.
Königreich Preußen (1772 - 1918)
- Nach der Teilung Polens 1772 wurde aus den ermländischen Ämtern Heilsberg, Bischofstein, Rössel, Seeburg, Bischofsburg,
Wartenburg und Allenstein der Heilsberger Kreis gebildet.
Die Städte wurden in steuerräthlichen Kreisen zusammen gefasst, diese unterstanden auch der Kriegs- und Domänenkammern in
Königsberg. Zum steuerräthlichen Kreis Heilsberg gehörten die Städte Heilsberg, Bischofstein, Rössel, Seeburg, Bischofsburg,
Wartenburg und Allenstein. Der Heilsbergsche Kreis bestand bis 31.1.1818. [19] [20] - 1780 wird das Rößeler Jesuitenkollegium auf Grund einer päpstlichen Bulle von 1773 geschlossen.
- Der Staat richtet in den Räumen des Klosters ein Progymnasium ein. Die Stadt verdankte dem daraus hervorgegangenen Gymnasium ihr Ansehen.
- 1806 Stadtbrand
- 1817 Neuweihung der katholischen Kirche
- Auf dem in der Nähe liegenden Gut Molditten hielt sich August der Starke oft auf, weil hier seine Maitresse lebte, deren Kinder den Titel Graf von Zeigun führten.
- 15.11.1928: Eingliederung des Gutsbezirks Hohenthal in die Stadtgemeinde Rößel. [21]
Städtebild 1913
Ostpreußische Städtebilder. Rössel, Artikel in der Königsberg Hartungsche Zeitung vom 23.11.1913
Rössel (zur Aussprache siehe unten unter *)
Bis vor fünf Jahren genoß Rössel den zweifelhaften Vorzug, die einzige Gymnasialstadt der preußischen Monarchie, vielleicht sogar des ganzen deutschen Reiches zu sein, zu der das schnaubende Dampfroß auf dem völkerverbindenden Schienenstrang noch nicht den Weg fand. Gemächlich trollte Schwager Postillon seine gelbe Kalesche zur zwei Meilen entfernten Bahnstation Korschen, und war das Verkehrsbedürfnis gar zu groß, so trabte ihm ein leichter beschwingter Beiwagen nach. Kamen aber die Gymnasialferien ins Land, oder gingen sie zu Ende, dann mußten alle Rösseler Fuhrhalter heran, um Magister und Scholaren mit ihren Koffern zu verfrachten, und doch passierte es nicht selten, daß überzählige Reisende trotz Wind und Wetter den Weg zur fern winkenden Schulstadt auf dem Berge per pedes apostolorum zurücklegen mußten.
Rössel gehört zu jenen zahlreichen ostpreußischen Kleinstädten, die trotz allen redlichen Strebens in ihrer Entwicklugn nicht recht vorwärts gekommen sind. Im Mittelalter ein strategisch wichtiger Punkt: und seit dem 17. Jahrhundert als Schulstadt nicht ohne Bedeutung, hat Rössel’s Wachstum nur recht bescheidene Fortschritte gemacht. Bereits in der langwierigen Eroberung des Pruzzenlandes hatte der deutsche Orden an dem Steilufer des Zainebaches im Jahre 1240 eine einfache Befestigung errichtet, die nach ihrer Zerstörung durch die aufständischen Eingeborenen erst 1273 von den Ordensrittern zurückgewonnen wurde. Nachdem der ermländische Gau unter geistlicher Landeshoheit gekommen war, wurde am 12. Juli 1337 Rössel als bischöfliche Stadt begründet und im Jahre 1350 mit dem Bau der festen Grenzburg begonnen, welche die südliche nach Litauen führende Heeresstraße decken sollte, und in der Folge treulich die Geschicke des Landes teilte. – Schon im Jahre 1347 war im Schutz des alten Kastells von bayrischen Augustinermönchen ein Kloster errichtet worden, dem zugleich eine höhere Schule angegliedert war. Seitdem in der Reformation die Mönche sich ihrem großen Ordensbruder Luther angeschlossen hatten, verödete ihr Besitztum, bis im Jahre 1631 die Jesuiten aus Braunsberg, die samt ihrer Schule vom Schwedenkönig Gustav Adolf vertrieben worden waren, in dem verfallenen Gemäuer der ehemaligen Augustinerniederlassung Kloster und Schule von neuem ins Leben riefen. Dieses von jährlich etwa 200 Zöglingen aus dem südlichen Ermland, Polen und selbst dem evangelischen Altpreußen besuchte, wegen seiner pädagogischen Erfolge geschätzte Jesuitenkolleg ist die Wiege unseres königlichen Gymnasiums, das nach einem die Existenz der Schule fortwährend bedrohenden Uebergangsstadiums erst im Jahre 1865 zur Vollanstalt erhoben wurde.
So ist Rössel die stille Schulstadt geworden, der die grünbemützten Gymnasiasten (zurzeit 230) ihre besondere Note verleihen. Seit 1881 drücken auch die taubstummen Knaben und Mädchen in ihrer mitleiderregenden Gebärdensprache unserem Straßenbilde ein eigenartiges Gepräge auf. Es sind ihrer rund 100, die in Bürgerfamilien untergebracht sind und in der 1907 von der Provinzialverwaltung erbauten, stattlich und modern ausgestatteten Taubstummenanstalt von 16 Lehrkräften unterrichtet werden. Reihen wir neben diese Anstalten und die Volksschulen noch die katholische und die evangelische höhere Mädchenschule und die katholische einklassige Präparandie, so läßt sich leicht ermessen, welch wichtigem Faktor in Rössels Wirtschafts- und Sozialleben das Schulwesen bildet.
Seit 1818 hat unsere Stadt einem landrätlichen Kreis seinem Namen gegeben, leider sind jedoch der alten Kreisstadt während des letzten Menschenalters allmählich sämtliche Kreisbehörden – bis auf das Katasteramt – entfremdet worden. Wohl nicht ohne Zusammenhang mit der preußischen Germanisierungspolitik ist die bereits gemischtsprachige Nachbarstadt Bischofsburg zur wahren Kreisstadt geworden, und die amtliche Bezeichnung „Kreis Rössel“ muß die Bürger der bepossedierten Kreishauptstadt an Vorteile und Besitztitel erinnern, die sich voraussichtlich auf immer haben entwinden lassen. Gegenüber der Einwohnerzahl 3030 im Jahre 1772 bedeutet die heutige Bevölkerungsziffer von 4457 Köpfen (3296 Katholiken, 1102 Evangelische, 59 Juden) keinen erheblichen Fortschritt. Auch wirtschaftlich ist Rössel im Grunde das „Ackerbau-, Bier- und Branntweinschank und einigen kleinen Handel“ treibende Landstädtchen geblieben, als welche es bei der preußischen Besitzerreifung des Ermlandes (1772) bezeichnet wurde. Einzig die Festsche Maschinenfabrik vertritt den industriellen Großbetrieb und bietet über 100 Arbeitern Erwerbsgelegenheit. Im ganzen ist die Finanzlage der Stadt wenig günstig; die Armenlasten sind, wie vielfach in den ostpreußischen Kommunen, unverhältnismäßig hoch, Wasserwerk und Gasanstalt haben große Aufwendungen gekostet, und aus einem entlegenen, wenig einträglichen Waldkomplex fließen der Kämmerei nur unbedeutende Einnahmen zu. So nimmt es nicht Wunder, daß Rössel an Kommunalabgaben 290 Prozent von der Staatseinkommenssteuer erhebt, und daß man an das notwendige Werk der Kanalisation nur mit finanziellen Sorgen und Bedenken herantritt. Seit 1908 erfreut sich endlich auch Rössel als Station der Strecke „Wormditt-Angerburg“ einer Bahnverbindung, aber die Anschlüsse geben zu vielen berechtigten Klagen Anlaß. Der Plan einer direkten Bahnverbindung zwischen Rössel und Bischofsburg wird wohl noch lange auf Verwirklichung warten können.
Der furchtbare Stadtbrand von Pfingsten 1806, der fast ganz Rössel in einen Schutthaufen umwandelte, ist mit die Ursache, daß unser jetziges Straßenbild im allgemeinen nüchtern und langweilig ist. Aus dem Mittelalter sind nur noch ein einsamer Stadtbefestigungsturm, die gotische Pfarrkirche (1806 ebenfalls ausgebrannt) und hernach mit Empire-Mobiliar ausgestattet) und die trutzige Bischofsburg erhalten, die von längst verflossenen Zeiten träumen. Namentlich das hochragende Schloß, in dem die architektonisch mißlungene evangelische Kirche 1822 eingebaut ist, wirkt ungemein eindrucksvoll, wenn sein malerisches, stummberedtes Turmgewirr zur lieblichen Pfingstzeit über einer duftigen Wolke blauen Flieders zur munter plätschernden Eiser und den hundertjährigen Baumriesen, zu den vieltausendjährigen Grantifindlingen des „Grundes“ und den hier luftwandelnden Menschenkindern hinabwinkt.
Der Königberger Künstlerverein hat im letzten Juni von seiner launigen Entdeckungsfahrt in unser idyllisches Städtchen und den fünf Kilometer entfernten stillromantischen Wallfahrtsort Heiligelinde die angenehmsten Erinnerungen mitgenommen. Mögen auch andere den Weg zu uns finden und sich an der heiteren Geselligkeit der Rösseler erquicken und zugleich von den Licht- und Schattenseiten einer freundlichen ostpreußischen Kleinstadt überzeugen.
Zur Aussprache des Ortsnamens Rössel
Wie aus Rössels ältesten Urkunden hervorgeht, ist ebenso in den ersten Jahrhunderten des Bestehens unserer Stadt wie auch heutzutage, der Vokal der ersten Silbe unseres Ortsnamens lang und der folgende „s“-Laut hart gesprochen worden: der historisch begründeten und ortsüblichen Aussprache würde also nur die orthographisch allein zulässige Schreibweise Rößel entsprechen. Erst seit der polnischen Zeit verlangte das fremde Idiom die kurze Aussprache des Stammvokals, und die heutige amtliche Schreibart Rössel, die auf dem Umwege über das lateinische Rössel entstanden sein mag, verleitet jeden Auswärtigen dazu, ebenfalls unseren ehrlichen Stadtnamen mit dem volltönenden „ö“-Vokal zu verschandeln, als wenn er vielleicht irgend etwas mit dem weißen „Rössel2 zu tun hätte. Heute, wo man soviel von Heimatschutz und -Pflege spricht, sollten die maßgebenden Behörden, die eine einheitliche Rechtschreibung zur allgemeinen Befolgung festgesetzt haben, auch ihrerseits in der Schreibweise unseres Stadtnamens den Regeln derselben Orthographie Beachtung schenken und dadurch unsern altpreußischen Ortsnamen geheimnisvoller Herkunft vor Entstellung und Verunglimpfung schützen.[22]
Genealogische und historische Quellen
Genealogische Quellen
Bibliografie
- Volltextsuche nach Rößel in der Familienkundlichen Literaturdatenbank
Genealogische Bibliografie
Historische Bibliografie
- Amtsblatt der Preussischen Regierung zu Königsberg, - Königsberg i. Pr., 7.1817 - 133.1943,
- teilweise online in der Bayerischen Staatsbibliothek [2],
- Bestandsabfrage in der Zeitschriftendatenbank: ZDB-ID 13501-x
- Chronik und Statistik der evangelischen Kirchen in den Provinzen Ost- und Westpreußen
- Agaton Harnoch, Neidenburg 1890, S. Nipkow
Digitalisat der Elbląska Biblioteka Cyfrowa (Digitale Bibliothek der Elbinger Stadtbibliothek)
- Die Gemeinden und Gutsbezirke des Preussischen Staates und ihrer Bevölkerung
- Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. December 1871 bearbeitet
und zusammengestellt vom Königlichen Statistischen Bureau.
I. Die Provinz Preussen - Berlin 1874, Verlag des Königl. Statistischen Bureaus (Dr. Engel).
Digitalisat der Kujawsko-Pomorska Digital Library
- Codex Diplomaticus Warmiensis oder Regesten und Urkunden zur Geschichte des Ermlands
von Carl Peter Woelky und Johann Martin Saage, Band II
Urkunden der Jahre 1340 - 1375, nebst Nachträgen 1240 - 1340,
Mainz 1864, Verlag Franz Kirchheim
Digitalisat der Kujawsko-Pomorska Digital Library - Historisch-comparative Geographie von Preussen
- Dr. Max Toeppen, Gotha 1858,Justus Perthes
Digitalisat der Kujawsko-Pomorska Digital Library
- Topographische Statische Uebersicht des Regierungs-Bezirk Königsberg
- Im Auftrage der Königlichen Regierung von Adolf Schlott, Tilsit 1848
Digitalisat der Universität zu Köln
- Topographische Uebersicht des Verwaltung-Bezirks
der Königlichen Preussischen Regierung zu Königsberg in Preussen
- Königsberg 1820, gedruckt bei Heinrich Degen
Digitalisat der Kujawsko-Pomorska Digital Library
In der Digitalen Bibliothek
Archive und Bibliotheken
Archive
Bibliotheken
Verschiedenes
- MTB 1992 Rossel Jahr 1944 Digitalisat von MAPSTER Archivkarten von Polen und Mitteleuropa
- Karte No. 104 ROESSEL (Reszel) 1928 von Wojskowy Instytut Geograficzny Digitalisat von MAPSTER Archivkarten von Polen und Mitteleuropa
- KDR 100 No. 104 Roessel um 1893 Digitalisat von MAPSTER Archivkarten von Polen und Mitteleuropa
- Reymann Special Karte No. M Rastenburg um 1830 Digitalisat von MAPSTER Archivkarten von Polen und Mitteleuropa
Heimat- und Volkskunde
* Einige schöne Bilder von Rößel [3]
Auswanderungen
- Personen aus Rößel auf den Bremer Passagierlisten [4]
Weblinks
Offizielle Webseiten
- Artikel Rößel. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie.
- Artikel gmina Reszel. In: Wikipedia, Wolna encyklopedia [in Polnisch].
- Artikel miasto Reszel. In: Wikipedia, Wolna encyklopedia [in Polnisch].
- Offizielle Seite der Gemeinde Bischofsburg (polnisch) [5]
Genealogische Webseiten
Hier findet man eine Liste der Landwirte von Rößel aus dem Jahr 1930 [6]
Zufallsfunde
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Private Informationsquellen- und Suchhilfeangebote
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Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis
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Fußnoten
- ↑ http://www.stat.gov.pl/broker/access/performSearch.jspa?searchString=Zawidy&level=miejsc&wojewodztwo=&powiat=&gmina=&miejscowosc=&advanced=false
- ↑ Gemeindelexikon für den Freistaat Preußen, Band I: Provinz Ostpreußen, Königsberg 1931, S.132-134
- ↑ http://bip.warmia.mazury.pl/reszel_gmina_miejsko_-_wiejska/205/Statut_Gminy/
- ↑ Topographische Übersicht des Verwaltungs-Bezirks der Königlichen Preussischen Regierung,1820,S.157-164
- ↑ Historisch-comparative Geographie von Preussen,Dr. Max Toeppen, Gotha 1858,S.347
- ↑ Amts-Blatt der königlichen preußischen Regierung zu Königsberg, Nr.12, 1857, Verordnung Nr.57,S.64 Digitalisat des Münchener Digitalisierungszentrums
- ↑ 7,0 7,1 7,2 Gemeindelexikon für das Königreich Preußen I (1905,Ostpreußen)
- ↑ 8,0 8,1 Topographische Übersicht des Verwaltungs-Bezirks der Königlichen Preussischen Regierung,1820, S.181
- ↑ 9,0 9,1 9,2 9,3 http://www.verwaltungsgeschichte.de/roessel.html
- ↑ http://www.gemeindeverzeichnis.de/gem1900/gem1900.htm?ostpreussen/roessel.htm
- ↑ Amts-Blatt der königlichen preußischen Regierung zu Königsberg,1824,No.13,Verordnung Nr.74,S.94 Digitalisat des Münchener Digitalisierungszentrums
- ↑ Amts-Blatt der königlichen preußischen Regierung zu Königsberg,1828,No.25,Verordnung Nr.102,S.129 Digitalisat des Münchener Digitalisierungszentrums
- ↑ Amts-Blatt der königlichen preußischen Regierung zu Königsberg, 1838, No.44, Verordnung Nr.127, S.202 Digitalisat des Münchener Digitalisierungszentrums
- ↑ 14,0 14,1 Chronik und Statistik der evangelischen Kirchen in den Provinzen Ost- und Westpreussen, 1890, S.130-131
- ↑ Referenzfehler: Es ist ein ungültiger
<ref>
-Tag vorhanden: Für die Referenz namensGOLD
wurde kein Text angegeben. - ↑ 16,0 16,1 16,2 16,3 Monumenta Historiae Warmiensis,Band III,Woelky&Saage,Braunsberg 1866,S.56
- ↑ Regesten und Urkunden zur Geschichte Ermlands Band I,Woelky+Saage,Mainz 1860,S.168,Nr.286
- ↑ Regesten und Urkunden zur Geschichte Ermlands Band I,Woelky+Saage,Mainz 1860,S.181,Nr.308
- ↑ Volständige Topographie vom Ost-Preußischen Cammer-Departement von 1785, Goldbeck, Zweites HauptstückS.22-23 Digitalisat des Münchener Digitalisierungszentrums
- ↑ Historisch-comparative Geographie von Preussen,Dr. Max Toeppen, Gotha 1858,S.320-325
- ↑ http://www.territorial.de/ostp/roessel/soweiden.htm
- ↑ Verfasser: unbekannt, Quelle: Königsberg Hartungsche Zeitung, 23.11.1913, Ausgabe 549, S. 3, bereitgestellt durch ZEFYS-Zeitungsinformationssystem der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz
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