Lehrbuch der gesammten wissenschaftlichen Genealogie/090

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Lehrbuch der gesammten wissenschaftlichen Genealogie
Inhalt
Vorwort | Einleitung
Erster Theil: Kap. 1234
Zweiter Theil: Kap. 1234
Dritter Theil: Kap. 123456
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einen umgekehrten Baum genannt.[1] Niemand könnte verkennen, daß die an der Wurzel eines den natürlichen Baum nachahmenden Familienschemas sitzenden Stammeltern in der genealogischen Vorstellung nothwendig den obersten Platz beanspruchen, der ihnen denn auch in vielen rein tabellarischen Darstellungen stets eingeräumt wurde. Das Bild des Baumes enthält einen gewissen Widerspruch in sich selbst und es ist daher sehr verständlich, daß die allerältesten Darstellungen verwandtschaftlicher Beziehungen, die wir besitzen, sich in Formen bewegen, die nicht das mindeste mit dem Gleichnis vom Baume zu thun haben. Was überhaupt zu stammtafelartigen Darstellungen geführt hat, war zunächst nicht eigentlich das genealogische Interesse an sich und auch nicht die Kenntnisnahme von persönlichen Familienverhältnissen und Beziehungen. Vielmehr hat sich in gewissen Kreisen römischer Beamten und Richter lediglich das Bedürfnis ergeben, die aus praktischen Gründen denselben zur Beurtheilung vorliegenden Verwandtschaftsgrade nach gleichen Grundsätzen und Regeln zu behandeln. Der nothwendige Besitz eines Verwandtschaftsformulars in zahlreichen Fällen von Verwaltungsangelegenheiten und privatrechtlichen Fragen hat bei den Römern den Anlaß zu gewissen Aufstellungen, Verzeichnissen und Darstellungen gegeben, aus denen nachher der Stammbaum entstanden ist. Hier läßt sich mithin eine manchen vielleicht unerwartete iconographische Entwicklung beobachten, die tief in die Kaiserzeit, vielleicht in die der Republik zurückgreift.

      Dem römischen Censor und Richter, welcher erbrechtliche oder verwaltungsrechtliche Fragen zu entscheiden hatte, war die Aufgabe gestellt, nach einer ein für allemal giltigen Regel die Verwandtschaftsansprüche zu beurtheilen, welche irgend eine Person vermöge ihrer Stellung zu einem etwa als Erblasser erscheinenden Mitglieds einer Familie erheben konnte. Zu diesem Zwecke bediente er sich eines Schemas, nach welchem der Grad der Verwandtschaft rasch und



  1. Eine alte deutsche Bearbeitung des Arbor (Stintzing a. a. O., sechste Classe Nr. Hh und Si S. t79): Uund ist wol ein umbkerter boume, des este under sich gont; als auch der Mensch in der geschrift ein umbkerter boume genennt wurd und dem geleichet.