Instructionsbuch für den Infanteristen (1872)/046
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muß erst lernen, wie er in Reih und Glied die Füße zu setzen und sich zu bewegen hat, damit er die Andern nicht hindert und selbst Herr seiner Bewegungen bleibt. Alles, was der junge Soldat lernt, ist nicht allein für seine eigene körperliche und geistige Ausbildung, sondern auch dazu bestimmt, ihm zum Bewußtsein zu bringen, wie er sich im Verhältniß zu seinen Kameraden, also wie ein wohlgeschulter Theil des großen Ganzen zu betragen, zu bewegen und mitzuwirken hat. Zum Bewußtsein kommt das aber erst durch fortdauernde Uebung, und die erste Zeit dieser Uebung ist es, die dem jungen Soldaten ofr recht schwer fällt, weil die tausend und aber tausend Dinge, die zusammengenommen erst einen tüchtigen und zuverlässigen Soldaten ausmachen, nicht aus Büchern oder durch Vorerzählen, sondern nur durch eigene Mühe und Arbeit, Anstrengung und Eifer zu erlernen sind. Auch die dicksten Bücher helfen nicht dazu, daß ein Glied beim Parademarsch gut vorbeikommt oder eine Salve mit allen Kugeln in der beweglichen Scheibe sitzt; aber das Exerciren hilft dazu, hat schon vielen Millionen dazu verholfen und wird auch noch vielen anderen Millionen dazu verhelfen.
Was der junge Soldat auf dem Exercirplatze zu lernen hat, und wie es ihm beigebracht wird, davon braucht ein Instruktionsbuch nicht zu erzählen; das wird er gründlich, bei allerlei Wetter und allerlei Aerger über sich und über die Kameraden erfahren, die es vielleicht nicht so geschickt machen, wie er, um deren Ungeschick willen er aber noch einmal so viel Mühe aufwenden muß, als er sonst gehabt haben würde. Dazu bedarf es keines Lesens oder Instuirens, Das wird ihm in freier Luft, ausnahmsweise auch wohl im Exercirhause beigebracht. Wie er sich aber Rechenschaft über Alles geben soll und kann, was er sieht, hört und was mit ihm vorgenommen wird, dazu kann ein Instruktionsbuch wohl dienen. Auf dem Exercirplatze ist zu dem Warum? und Weshalb? keine Zeit, da kommt es nur auf das Wie? an, mehr auf den Körper als auf den Verstand -- mehr auf das Machen als auf das Ueberlegen, und da ist Ein strammer Exerzir-Gefreiter mehr werth, als hundert sehr lehrreich geschriebene und auswendig gelernte Instruktionsbücher. Es sind schon Hundertausende von guten Soldaten blos durch gutes Exerziren und ohne jedes Instruktionsbuch ausgebildet worden, noch nie aber einer ohne Exerziren blos durch Instruktionsbücher.
In unserer Zeit nun, wo die Schulbildung viel allgemeiner ist als sie früher war, wo die Vorgesetzten sich Mühe geben, auch auf die Sitten, Kenntniß und Bildung des Soldaten einzuwirken, wo es sich durch die glänzendsten Erfolge erwiesen hat, welche erhöhte Kraft die Entwicklung des Ehrgefühls und der Intelligenz einem Heere verleiht, steht es jedem Soldaten wohl an, auch über die Gründe und die Nothwendigkeit nachzudenken, aus denen so manches Schwere und Anstrengende für ihn hervorgeht und von ihm verlangt wird. Wenn es auch den ganzen Tag über in den ersten 6 Wochen so viel zu thun giebt, daß dem jungen Soldaten nicht viel Zeit zum Nachdenken übrig bleibt, so kommen doch auch Stunden, wo er auf sich selbst angewiesen ist und mit sich zu Rathe gehen kann, auf welche Weise er wohl am besten die Aufgabe lösen könne, die ihm für seine Dienst- und Lernzeit im stehenden Heere zugefallen ist.
Bei solchem Nachdenken hilft meistentheils ein Gleichniß, ein Bild über manche Schwierigkeit hinweg, und ein solches, welches nicht allein das eigentliche Verhältniß klar macht, sondern auch nach allen Richtungen hin paßt, hat der Soldatenfreund früher schon einmal aufgestellt. Soll nämlich ein Pfahl in die Erde getrieben werden, wozu die Kraft eines einzelnen Menschen nicht ausreicht und auch die Kraft Vieler nicht genügen würde, wenn sie nicht nach bestimmter Ordnung und Vorschrift angewendet wird, so stellt man eine Ramme auf, ein Gerüst, durch welches der Rammbär, ein schwerer Gewichtsklotz, über eine oben befindliche Rolle so hoch gehoben werden kann, daß durch sein Herabfallen der Pfahl nach und nach tief in die Erde getrieben werden muß. Dazu werden eine Menge dünner Leinen an das starke Hauptseil gebunden und an jede ein Arbeiter gestellt.