Instructionsbuch für den Infanteristen (1872)/045
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VI
Allerlei guter Rath.
Wir haben nun schon eine Menge von Einrichtungen, Benennungen und Besonderheiten des Soldatenstandes und des Herrwesens überhaupt kennen gelent, so daß es auch wohl an der Zeit ist, uns mit dem zu beschäftigen, was den jungen Soldaten zunächst umgiebt, ihn erwartet und von ihm verlangt wird, wenn er einer Compagnie zugetheilt worden ist; denn diese Dinge haben schon Vielen Nachdenken und Kopfzerbrechen verursacht, wenn der Augenblick eintrat, wo ihm zum ersten Male Stillgestanden! kommandiert wurde, als seine früheren Verhältnisse und Gewohnheiten aufhörten, er keinen eigenen Willen mehr haben sollte, sobald es sich nämlich un die im Soldatenstande nothwendigen Bedingungen handelte, und wo ganz neue, ungewohnte und anfangs auch unverstandene Verhältnisse ihn umgaben. Für viele Tausende ist der Eintritt in die Armee ein Schritt zum Besseren, denn sie erhalten bessere Kleidung, bessere Nahrung, bessere Wohnung und Bett, als sie bis dahiin in ihrem Knechts- oder Tagelöhner-Verhältnisse gehabt. Für Viele ist er dagegen auch ein Heraustreten aus einem bequemen, behaglichen Leben in ein arbeitsames, anstrengendes und abhängiges, für Alle aber der Verlust des bisherigen täglichen Umganges mit Eltern, Verwandten, Freunden und Bekannten, Es wird die volle Unterwerfung seines Willens unter den seiner Vorgesetzten, das engste und auf gegenseitige Unterstützung angewiesene Zusammenleben mit Andern, deren Umgang er sich nicht gewählt, tägliche bedeutende körperliche Anstrengung und geistiges Zusammennehmen von den jungen Soldaten verlangt, auch nöthigenfalls von ihm erzwungen, daß es wohl kein Wunder ist, wenn er sich fragt: Wozu und warum geschieht denn das Alles? -- Weshalb ist es gerade so und könnte nicht auch anders sein? Die beste Antwort darauf kann freilich der lange gediente Soldat, der Unteroffizier geben, der ganz dasselbe, wie jeder andere Soldat durchgemacht und erfahren, dadurch aber auch die Ueberzeugung erhalten hat, daß es eben nicht anders geht, und daß es sich nicht auf eine andere Art machen läßt, wenn der eigentliche Zweck, die Kriegstüchtigkeit des Heeres, mit dieser aber auch der Stolz, der Ruhm, die Größe und das Wohlergehen des Vaterlandes erreicht werden sollen.
Jede größere Gemeinschaft, jedes Zusammenwirken Vieler für eine bestimmte Aufgabe ist nur dann denkbar und auf die Dauer möglich, wenn sich jeder Einzelne den Regeln und Vorschriften unterwirft, welche aus der Sache selbst hervorgegangen und durch die Erfahrung als richtig erkannr worden sind. Wenn ein Haufen Menschen eng zusammen gedrängt bleiben und sich fortbewegen will, so muß er Tritt fassen und Vordermann halten, sonst treten sich alle gegenseitig auf die Hacken, und die geschlossene Masse wird zu einem verwirrten Knäuel, mit dem nichts anzufangen ist. Darum ist der Gleichschritt auch nichts Willkürliches oder nur erfunden, damit es besser aussieht, sondern er ist eine Nothwendigkeit, weil man nur durch das gleichzeitige und gleichförmige Austreten Aller in einer Section, Zug, Compagnie und Bataillon die Bewegung auf dem kleinsten Raume ermöglicht. Kommt es nur darauf an, sich überhaupt fortzubewegen, dann kann auch beim militärischen Marschiren Jeder gehen, wie er will. Sollen aber die Zusammengehörigen beim Haltmachen auch gleich zusammen sein, so muß Tritt und Distance, das heißt Entfernung des Einen vom Andern, gefaßt werden. Käme es im Soldatenstande blos auf gutes Marschiren oder blos auf gutes Schießen an, so wären Handwerksburschen, die an's Wandern gewöhnt sind, und Jäger, die ihren Schuß nach Belieben anbringen können, auch die besten Soldaten. Das ist aber nicht der Fall; auch der beste Jäger muß erst schießen lernen, wie es im Felde und vor dem Feind am wirksamsten ist, und auch der beste Wanderbursch