Herforder Chronik (1910)/028
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6.
Waltger.
Der Same, welchen Karl der Große in seiner Regentenweisheit ausgestreut hatte, war auf guten Boden gefallen und trug hundertfältige Frucht. Zu dieser Zeit aber bot das Land zwischen den beiden Gebirgen, unser Ravensberg, noch nicht das abwechselungsvolle, entzückende Bild des heutigen reichgesegneten Landes. Dämmerung deckte die Lande, bläulicher Duft hing weich an dem sich weithin erstreckenden Walde, ungebändigte Gewässer, Flüsse und Bache verwandelten die Ebenen in Wiesen und Sümpfe. Da gehörte denn der heilige Glaubenseifer der christlichen Sendboten, wie uns Lebuin gezeigt, dazu, um ihnen Kraft und Ausdauer zu verleihen, durch solche Wildnis vorzudringen zu den einsam gelegenen Hütten. Denn nicht zu Weilern und Dörfern hatten sich die Einwohner zusammengeschlossen, sondern, wie bekannt, nach Urvater Sitte jedesmal da ein Haus gebaut, wo ein Quell, ein Anger, ein Gehölz zur Siedelung einlud, (Tac. Germ. cap. 16) Der sorgfältig das Alte bewahrende Sinn der Ravensberger hat diese Sitte bis heut beibehalten, und so sehen wir im Ravensberger Lande nirgends Dörfer im Sinne anderer Gegenden, sondern verstreut Höfe, Gehölze, Acker und Wiesen, ein Anblick, so anmutig, wie in keinem anderen Landesteile.
Gleich seinen Stammesgenossen wohnte zu König Karls Zeiten ein dein christlichen Glauben zugetaner sächsischer Edeling, namens Adolf, auf seinem Hof im Wessagau (Weißgau)[1] und zwar am nördlichen Abhange des Osning, wo heut Dornberg liegt. Sein Geschlecht war mit Herzog Wittekind und dessen Hause vertraut und befreundet, und durch diesen Umstand, wie infolge seiner christlichen Lebensweise stand er beim fränkischen Königshofe in hohen: Ansehen und wurde von ihm ausgezeichnet. Sein mit der edlen Sachsentochter vermählter Sohn Dedda wurde der Erbe seiner Besitzungen, deren Umfang er noch weiter ausdehnte. Ihr einziger Sohn Waltger übernahm nach dem Tode seiner Eltern die Gehöfte, Wälder und Felder, einen Grundbesitz, der von Domberg bis dahin reichte, wo sich die Aa mit der Werre vereinigt. Auf ihn führen Geschichte und Legende die Entstehung von Herford zurück, und was sie uns davon erzählen, lassen wir hier folgen.
Zunächst ist Waltger der Gründer des Stiftes Herford, aus dem die Stadt Herford hervorging.
- ↑ l) Der Wessagau umfaßte Herford, Jöllenbeck, Heepen, Bielefeld, Brackwede, Dornberg, Oerlinghausen. Er hat seinen Namen im Gegensatz zum Graingau, Grüngau, worin Melle, das Amt Grönenberg, Bünde. Hölscher, Herf. Krsbl. 1892 Nr. 79.