Herforder Chronik (1910)/004
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Es ist ja wahr, wir wanderlustige Deutsche lassen uns gern von den Wundern der Ferne locken. Wenn ein Dichter singt:
„Ihr Riesengletscher, lind und weich,
O wüßtet ihr, wie oft von euch
Das Herz voll Sehnsucht träumt“,
und wenn Goethe seiner Mignon die Worte in den Mund legt:
„Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunkeln Laub die Gold-Orangen glühn? . . .
Dahin möcht' ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn“,
so schildern beide Dichter damit die Sehnsucht der Deutschen in die Ferne.
Wenn aber die Herrlichkeiten der Fremde dein Verlangen gestillt haben, dann pocht leise die Sehnsucht nach der schlichten Schönheit der Heimat an dein Herz. Dann schrumpft alle Riesengröße ferner Eisgefilde vor dir zusammen, dann verblaßt der zauberhafte Glanz und Schimmer des Südens. Dann treten vor dein Auge die Bilder der Gaue, wo dir Gottes Sonne zuerst schien, wo dich ringsum fruchtbare Fluren umgeben, wo wohlbestellte Äcker von dem Fleiß deiner Brüder zeugen, wo silberne Wasserstreifen sattgrüne Wiesen durchziehen, wo auf Hügeln und in Talgründen in seiner Majestät der deutsche Wald steht, von dem Eichendorff singt:
„O schöner, grüner Wald,
Du meiner Lust und Wehen
Andächt'ger Aufenthalt!“
Wenn dann nach deiner Heimkehr aus jenen Gegenden
„Wo draußen, stets betrogen,
Saust die geschäft'ge Welt“
dein Blick über das abwechslungsreiche, überaus freundliche Bild deiner Ravensberger Heimat schweift, hinüber bis zu dem dunkeln Saum waldiger Berge, der das Ganze umschließt, dort, wo in der Ferne Himmel und Landschaft sich zu berühren und sanft ineinander zu verschmelzen scheinen, dann hast du ein Recht aufzujauchzen:
„Schön bist du, mein Vaterland!“
Und nicht weithin braucht dein Auge zu suchen nach den friedlich stillen Hütten, von denen das Lied singt. Nach allen Richtungen hin, im Tal und auf den Höhen, siehst du sie hervorlugen aus dem Grün ihrer Bäume, hinter denen sie sich versteckt halten, wie um ihren Frieden zu wahren. Hier schaut das bescheidene Strohdach eines kleinen Gehöftes über die Wipfel hinaus, dort breitet sich in vornehmer Abgeschlossenheit und behäbiger Ruhe die Wehre des wohlhabenden Meiers. Auch rücken die Heimstätten zu Weilern und Dörfern