Großherzogtum Hessen/Regierungsblatt 1884/232

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Großherzogtum Hessen/Regierungsblatt 1884
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Grossherzoglich Hessisches Regierungsblatt 1884.djvu
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Nr. 28.



§ 25. und praktischen Aerzte oder aus den monatlichen Aufstellungen über die Todesfälle oder endlich auf sonstige zuverlässige Weise von dem Auftreten ansteckender Krankheiten in ihrem Bezirk Kenntniß erhalten,78 so sollen sie ohne Verzug sich in die befallenen Gemeinden begeben und die Krankheit nach ihrer Entstehungsart, ihren Erscheinungen, ihrem Verlauf, ihrer Ansteckungsfähigkeit etc. gründlich untersuchen. Solche Krankheiten, welche regelmäßig die Anwesenheit des Gesundheitsbeamten fordern, sind, abgesehen von der asiatischen Cholera und Blättern, sowie dem Rückfallfieber und Flecktyphus, bei welchen auch der vereinzelte Fall ihnen diese Verpflichtung auferlegt, Abdominaltyphus, Ruhr, Wochenbettfieber, Scharlachfieber und die eigentliche Rachenbräune, sobald diese Krankheiten durch ihr wiederholtes Auftreten innerhalb kürzerer Zeiträume einen epidemischen Charakter anzunehmen drohen, während eine solche persönliche Untersuchung an Ort und Stelle bei Masern und Keuchhusten in der Regel nicht, sondern nur unter ungewöhnlichen Vorkommnissen, wie bei drohendem excessivem Auftreten oder besonders gefährlichem Charakter der Erkrankungen erfordert wird.
      Zu den Ermittelungen über das Auftreten, die Einschleppungs- und Verbreitungsweise, den Charakter und Verlauf einer Epidemie, sowie der hier wirkenden allgemeinen und lokalen Einflüsse empfiehlt es sich, die behandelnden Aerzte zuzuziehen, ohne daß jedoch hierdurch für die Staatskasse besondere Kosten entstehen dürfen.
      Von dem Auftreten der oben bezeichneten Krankheiten und dem Ergebniß der bezüglichen Ermittelungen, sowie von den veranlaßten Maßnahmen haben die Kreisärzte der Ministerial-Abtheilung alsbald Bericht zu erstatten, sich auch während der Dauer der Epidemie wiederholt von der Sachlage, von der Art der Ausführung und dem Erfolg der getroffenen Maßnahmen zu überzeugen und überhaupt bei ihrer zeitweiligen Anwesenheit in den betreffenden Gemeinden diejenige Aufmerksamkeit zu bethätigen, welche eine so wichtige Angelegenheit, wie der Ausbruch einer ansteckenden Krankheit, dem Gesundheitsbeamten auferlegt.79
      Die Anordnung von Maßnahmen beim drohenden oder wirklichen Ausbruche epidemischer und ansteckender Krankheiten ist den Kreisämtern als der Polizeiverwaltungsbehörde übertragen.80
      Dieser Behörde haben deshalb die Gesundheitsbeamten die erforderlichen Anordnungen in Vorschlag zu bringen, insbesondere auch die geeigneten Absperrungs- und Aufsichtsmaßregeln, Einfuhrverbote oder besondere Polizeireglements, einerlei, ob zu deren Erlaß das Kreisamt für sich allein oder unter Mitwirkung des Kreisausschusses und bezw. mit Genehmigung des Ministeriums befugt ist.81

      78 Erhält ein Kreisarzt gelegentlich einer Verschleppung oder dergleichen Kenntniß von dem Bestehen einer, dem dortigen Kreisarzt muthmaßlich noch nicht bekannt gewordenen, epidemischen Krankheit in einem anderen Bezirke des Landes, so hat er den einschlägigen Gesundheitsbeamten hiervon in Kenntniß zu setzen.
      79 Ausschreiben der Ministerialabtheilung betr. die Instruction der Gesundheitsbeamten vom 10. Juni 1879, A. Bl. M. A. f. G. Nr. 34.
      80 Dienstinstruction für die Kreisräthe von 1882 § 92.
      81 Allgemeine gesetzliche Bestimmungen, welche die Verhütung des Einführens oder Verbreitens ansteckender Krankheiten betreffen, sind folgende:
            Reichsstrafgesetzbuch § 327. Wer die Absperrungs- oder Aufsichtsmaßregeln oder Einfuhrverbote,
            welche von der zuständigen Behörde zur Verhütung des Einführens oder Verbreitens einer ansteckenden
            Krankheit angeordnet worden sind, wissentlich verletzt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. -
            Ist in Folge dieser Verletzung ein Mensch von der ansteckenden Krankheit ergriffen worden, so tritt Gefäng-
            nißstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren ein.
            Polizeistrafgesetz Art. 349. Wer die von der Polizeiverwaltungsbehörde gegen den drohenden Ein-
            bruch ansteckender Krankheiten unter Menschen angeordneten Sperr- und Sicherungsanstalten verletzt, wird,
            insofern die begangene Uebertretung nicht unter § 327 des Strafgesetzbuchs fällt, mit einer Geldbuße von 3
            bis 20 fl. oder Gefängniß bis zu 8 Tagen bestraft.