Die Probstei in Wort und Bild/117
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Auch entsprangen hieraus mancherlei Verwirrungen. So erinnere ich einen Fall, da ein Betrüger sich für einen jungen, reichen Hufner ausgegeben hatte, woraus ein höchst verwickelter Matrimonialprozeß entstand. Jetzt scheint diese Sitte mehr auszuarten und verwerflicher zu werden, da die größeren Schwärme aufhören, und die meisten nur Befriedigung unreiner Begierden suchen. Möchten sich sämtliche Familienväter vereinen, ihr Haus solchen Besuchen zu verschließen, und ihren Hausgenossen ihre Annahme strenge zu untersagen! Nur ein entschlossenes Zusammentreten kann hier wirksam werden. Und besonders würde es höchst wohlthätig wirken, wenn Eltern und Lehrer sich im Unterricht und Erziehung vereinten, das sittliche Gefühl ihrer Kinder recht zu schärfen, und sie das Glück eines reinen Herzens, wie die sittliche Wichtigkeit einer edlen Schamhaftigkeit recht innig fühlen zu lehren.
Nationaltanz. Gilden.
Die Probsteier hatten ihren eigenen Tanz, der mit dem Tanz der alten Wenden ungemein viel Aehnlichkeit hatte. Er war aus lauter kurzen Reprisen zusammengesetzt, war, so viel ich, da ich hier durchaus Laie bin, urteilen kann, gar nicht ermüdend, nicht für die Gesundheit nachteilig. Er zeichnete sich besonders durch Schwingungen der Tänzerinnen aus, die sich in Wirbeln drehten, welches oft, besonders in einer Zeit, wo kurze Röcke modern waren, an Unanständigkeit grenzte, auch stampften die Männer zuweilen mit den Füßen. In einem gewissen Tanze, der deswegen „Dütjendans“ hieß, gab die Musik ein Zeichen, auf welches jeder Tänzer seine Tänzerin küssen (dütjen) muß. Der Nationaltanz ist jetzt von modernen Tänzen, Walzern, Ekossaisen, Hopsawalzern etc. ganz verdrängt, und die Heftigkeit, mit der unsere jungen Leute tanzen, die Unvorsichtigkeit, mit der sie sich Erkältungen aussetzen, ja selbst, ganz erhitzt, kalte Getränke genießen, hat schon vielen ein frühes Grab, und mehreren einen siechen Körper bereitet. Nur selten wird der Nationaltanz als Erinnerung aus einer vergangenen Zeit noch getanzt, und ich wünschte, daß er nicht ganz in Vergessenheit geriete.
Tanz ist Lieblingsbelustigung der Probsteier. Daher auf allen ihren Nationallustbarkeiten, den beiden Gilden, und bei ihren sogenannten Bieren getanzt wird. Das Hauptnationalfest ist die Pfingstgilde. Sie fängt am Mittwoch in der Woche nach Pfingsten an, und dauert bis zum Sonnabend. Der Freitag ist der wichtigste Tag, zu dem auch immer Fremde aus den benachbarten Gegenden herbeiströmen. Der Umtanz setzt den Zuschauer in eine Idyllenwelt zurück, und hat viel Romantisches. Es wird von Hause zu Hause über das Dorf getanzt,. und nur die Häuser werden übergangen, in denen Trauer herrscht. Ein Aeltermann führt den Zug von einem Hause ins andere, und bedient sich gewöhnlich dabei dieser Formel: Na, wie wöllt düssen Buuren ook nich ganz verteeren, laat's een Huus wih'r gaan. Wi heft een gojen Buuren hat, wöllt ins henöver nach N. und sehn, wat de us to Willen deiht. Nun spielt die Musik den Nationaltanz, und der Zug geht weiter. Das Haus eines Hufners ist Gildehaus und mit einem Kranz geschmückt; das geht gewöhnlich in der Reihe fort, doch werden auch hier Trauerhäuser übergangen. Die Hufner geben Malz, von welchem die jungen Leute das Bier selbst brauen. Die um Pfingsten gewöhnlich schöne Natur und der Anblick der frohen Leute giebt diesem Volksfest ein allgemeines Interesse. Auf die Pfingstgilde folgt noch gewöhnlich als Zugabe das Milchbier, von den Milchmädchen, und das Musikantenbier, von den Musikanten gegeben, jedes an einem der nächsten Freitage. An beiden Tagen wird wieder getanzt.
Die zweite Gilde wird gleich nach Lichtmeß gehalten und heißt Fastelabendsgilde, ist der Pfingstgilde im Uebrigen gleich, den Umtanz ausgenommen. Diese Jahreszeit scheint eigentlich zu Volkslustbarkeiten wenig passend zu sein, und gleichwohl finden wir sie in mehreren Gegenden dazu gewählt. Das Jurten und Jühlen im Eiderstädtischen, welches zuweilen mit hierher gerechnet