Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland/Anlagen 126

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Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland
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der Großgrundherrschaft begann kurz nach der fränkischen Eroberung; sie setzte sich in stets wachsendem Maße mindestens bis zum Ende der ottonischen Epoche fort.

Um das Jahr 1000 gehörte schon ein sehr beträchtlicher Teil des landwirtschaftlich benutzten Grundbesitzes in Sachsen zu Großgrundherrschaften.

Daneben war allerdings die kleine, meist nicht als Villikation organisierte Grundherrschaft des Ethelings noch sehr häufig. Die Großgrundherrschaft aber war nicht, wie die herrschende Meinung will, durch Ergebung kleiner Freibauern in persönliche und grundherrliche Abhängigkeit entstanden. Zu dieser Annahme berechtigt nicht eine mir bekannte Urkunde. Zum Teil verdankte sie ihre Entstehung der fränkischen Eroberung, zum anderen, sicher größeren Teil war die kirchliche Großgrundherrschaft durch Schenkungen ganzer Villikationen oder einzelner Bestandteile kleiner Edelingsgrundherrschaften allmählich zusammengewachsen. Nicht vollfreie Bauern haben Freiheit und Eigentum verloren, sondern dinglich und persönlich abhängige Leute haben ihren Herren gewechselt.


Wenden wir uns jetzt zu dem anderen, für die in Rede stehende Epoche charakteristischen Vorgang, dem Wiedereintritt der Frilinge in die Hörigkeit, so springt dieser zwar weniger als die eben geschilderte Entwickelung ins Auge, ist aber deshalb nicht weniger wahrscheinlich. Folgende Momente sprechen für diese Verwandlung der liberi in Laten.

1. Die Natur der Schenkungsobjekte der aus dem Ende des 10. und dem Anfang des 11. Jahrhunderts stammenden Korveyer Traditionen. In den älteren, noch der karolingischen Epoche angehörigen Schenkungsurkunden werden nahezu ebenso oft Hufen ohne hörige Bebauer wie solche mit Laten oder Sklaven an das Kloster übertragen. Für die Mehrzahl der Hufen ohne zugehörige Laten müssen wir die Bewirtschaftung durch freie Kolonen annehmen. Dagegen beträgt die Zahl der Schenkungen von Hufen ohne hörige Bauern in den jüngeren Traditionen wenig mehr als ein Neuntel derjenigen Schenkungen, in denen mit Hörigen versehene Hufen übertragen werden.[1] Der in den jüngeren Traditionen allgemein üblich gewordene technische Ausdruck für die Hufe mit den zugehörigen Laten ist familia. Eine osnabrückische Urkunde aus dem Anfang des 11. Jahrhunderts erklärt familia folgendermaßen: septem familiae, id est septem hobae juxta illius provinciae morem possessae ac censum solventes,[2] gewiß ein treffender Ausdruck für die allgemein herrschend gewordene Form grundherrlicher Abhängigkeit. Die Zahl der von freien Kolonen bewirtschafteten Hufen hat sich demnach seit der karolingischen


  1. Vgl. Trad. Corb. ed. Wigand, Ältere Traditionen. Bei 54 Schenkungen Hufen mit Laten oder Sklaven, bei 50 Schenkungen Hufen ohne Bebauer übertragen. Jüngere Traditionen (aus der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts). In 160 Fällen familiae oder Hufen mit Sklaven, in 18 Fällen Hufen ohne Bebauer geschenkt. Vgl. S.121* Anm.2.
  2. Vgl. Osnabrücker Urkunden, Bd.I Nr.138 (a. 1037-1052).