Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland/454

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Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland
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Befugnisse über ihre Meier ausübten, mit der Handhabung von Justiz und Verwaltung auf dem Lande betraut.

Dieser Umstand ermöglichte es, daß die lokale Justiz- und Ver-maltungsorganisation ihren öffentlich-rechtlichen Charakter, dm sie von Anfang an gehabt hatte, immer beibehielt.

Voraussetzung für die Übertragung dieser Befugnisse an den Amtmann war aber die Beschaffenheit und besonders die Anordnung, das heißt die lokale Verteilung grundherrlicher Berechtigungen. Der Landesherr war erstens der größte Grundherr, außerdem aber — und dieses ist der Hauptpunkt — lagen seine grundherrlichen Berechtigungen mit denen der Privatgrundherren im Gemenge. Daher brauchte er nur verhältnismäßig selten und auch dann nur in beschränktem Maße den Anforderungen der Privatgrundherren nach öffentlichen Befugnissen über ihre Meier nachzugeben und konnte die alte öffentliche Organisation von Justiz und Verwaltung allerdings vermittelst seiner grundherrlichen Beamten aufrechterhalten. Die enge Vereinigung von Justiz, Verwaltung und Domanialverwaltung in der Hand eines landesherrlichen Beamten aber gab der nieder-sächsischen Lokalverwaltungsorganisation ihren eigentümlichen Charakter.

In beschränktem Maße führte sie zur Patrimonialisierung öffentlicher Institute. Sie ermöglichte es z. B., daß im Süden der Dienst, eine ursprünglich öffentliche Leistung, zur privaten Domanial-intrade wurde. Aber andererseits war diese Vereinigung die Quelle der ungeheueren sozialpolitischen Kraft, die die niedersächsische Lokal-Verwaltung auszeichnete. Sie ermöglichte es dem Landesherr«, sein landespolizeiliches Interesse an der Erhaltung der Höfe so that-kräftig zur Geltung zu bringen. Sie war die Vorbedingung für die Ausgestaltung des landesherrlichen Oberaufsichtsrechts über die Höfe zu einer öffentlich-rechtlichen Grundherrschaft. Denn nur eine Behörde wie der niedersächsische Amtmann, der meist über die größere Hälfte der Bauern (Domanialmeier) die wahre Grundherrtraft privaten Rechts übte, war imstande, eine Pseudogrundherrschaft kraft öffentlichen Rechts über den Rest der in feinem Amt sitzenden Meier der Privatgrundherren aufrecht zu erhalten.

So hat die Grundherrschaft nur in beschränktem Maße zu patrimonialen Gerichts- und Verwaltungsorganisationen Anlaß gegeben. Sie hat im Gegenteil es dem Landesherrn ermöglicht, die öffentliche Justiz und Verwaltung aufrecht zu erhalten, und hat dieser Verwaltung für sozialpolitische Zwecke eine unerhörte Stärke verliehen.