Striegau/Verwaltungsbericht 1932

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Aus dem letzten Verwaltungsbericht des Kreises Striegau, 24.03.1932

Quelle: Heimatblätter der BHG Striegau, Nr.35


Allgemeines
Der Kreis Striegau umfaßt 299,56 Quadratkilometer, von denen 241,80 Quadratkilometer als Ackerfläche und 16,57 als Wiese genutzt wurden. An Wald hatte der Kreis Striegau 24,30 Quadratkilometer.

Nach der Zählung vom 16. Juni wurden in der Stadt Striegau 810 Wohnhäuser, 9 unbewohnte und 8 andere bewohnte Gebäude gezählt. Haushaltungen bestanden in der Stadt 3.905, in Gasthöfen und dergleichen anderen Anstalten waren 22. Von der 14.143 Personen zählenden Stadt Striegau waren 6.819 männlich, 7.324 weiblich. Von der Striegauer Bevölkerung waren 8.891 evangelisch, 4.202 katholisch, ferner waren 94 Israeliten, 64 Sekten-Christen und 892 waren sonstigen Bekenntnisses (meistens konfessionslos).

In den Landgemeinden (ohne die früheren Gutsbezirke) waren 2.893 Wohnhäuser, 5 waren nicht bewohnt, 18 wohnten in anderen Gebäuden. Haushaltungen waren in den Gemeinden 6.594 vorhanden. Die Wohnbevölkerung betrug 26.161, von der 16.811 evangelisch, 8.628 katholisch, 71 andere Christen, 14 jüdisch und 647 sonstigen Bekenntnisses waren. Die Gutsbezirke werden in dieser Statistik nochmals selbständig aufgeführt. Hier sind die Zahlen folgende: In Gutsbezirken waren 327 Wohnhäuser, 5 waren unbewohnt, ein anderes Gebäude diente auch Wohnzwecken. Haushaltungen in den Gutsbezirken waren 1.068, 5 waren in Gasthöfen und dergl. untergebracht. Die Wohnbevölkerung der Gutsbezirke zählte 4.543, von denen 2.149 männlich und 2.394 weiblich waren. Evangelische wurden in den Gutsbezirken 3.370, Katholische 1.142, andere Christen 13, Israeliten 1 und sonstiger unbekannter Bekenntnisse 17 gezählt. Der Kreis Striegau einschließlich der Stadt Striegau hat also 4.072 bewohnte Gebäude mit 11.612 Familienhaushaltungen. Von der 44.847 zählenden Bevölkerung waren 21.705 männlich und 23.142 weiblich. Nach den Glaubensbekenntnissen gab es im Kreise Striegau 29.062 Evangelische, 13.972 Katholische, 148 andere Christen, 109 Israeliten und 156 anderer Bekenntnisse (auch Dissidenten). Interessanten Vergleich bieten die Zählergebnisse vorn 8. Oktober 1919, wo im Kreise Striegau nur 10.899 Haushaltungen mit einer Wohnbevölkerung von 43.171 gezählt wurden. Die Haushaltungen haben sich also um 1.611, die der Wohnbevölkerung um 1.676 vermehrt.


Vieh - Statistisches
In der Stadt Striegau gab es nach der Viehzählung 369 viehhaltende Haushalte. Es wurden in Striegau also am 1. Dezember 1931 gezählt: 206 Pferde und Fohlen, 2 Maultiere oder Esel, 465 Stück Rindvieh, 3 Schafe, 805 Schweine, 120 Ziegen, 4.023 Stück Federvieh und 164 Bienenstöcke. In den Landgemeinden wurden gezählt: 4.321 viehhaltende Haushaltungen mit 3.279 Pferden und Fohlen (gegenüber der Viehzählung vom 1. Dezember 1930 sind dies 49 Pferde weniger), 13 Maulesel, 17.157 Stock Rindvieh, 3.434 Schafe, 17.112 Schweine, 1.178 Ziegen, 61.733 Stück Federvieh und 1.476 Bienenstöcke. Der Kreis Striegau hatte also zusammen nach der Zählung vom 1. Dezember 4.690 viehhaltende Haushaltungen mit zusammen 3.485 Pferden oder Fohlen, 15 Mauleseln oder Eseln, 17.622 Stück Rindvieh, 3.437 Schafen, 17.917 Schweine, 1.298 Ziegen, 65.756 Stück Federvieh und 1.640 Bienenstöcken.


Verwaltungs - Statistik
Im Kreise Striegau sind vorhanden 1 Stadt und 56 Landgemeinden, die 23 Amtsbezirke, 12 Gesamt- und 30 Eigen-Schulverbände mit 36 evangelischen, 21 katholischen und 2 weltlichen Schulen. Außerdem ist noch eine Hilfsschule vorhanden.

Das Feuerlöschwesen war in 31 Wehren und einer Fabrikwehr organisiert.

Bei den 22 Standesämtern in den Landgemeinden wurden im Jahre 1931 637 (im Vorjahre 783) Geburten, 293 (272) Eheschließungen, 352 (343) Sterbefälle beurkundet.

Zur Landjägereiabteilung gehören 1 Oberlandjägermeister, 2 Landjägermeister und Oberlandjäger.


Verwaltungsorgane
Die Verwaltungsorgane sind der aus 23 Mitgliedern bestehende Kreistag und der aus 6 Mitgliedern bestehende Kreisausschuß. An der Spitze dieser Körperschaften steht der Landrat. Es sind dann noch vorhanden beim Kreisausschuß, beim Kreiswohlfahrtsamt, beim Jugendamt je 5 Beamte, beim Kreisbauamt 4 Beamte einschließlich des Provinzialstraßenmeisters. Die Kreiskommunalkasse hat einen Beamten und die Kreissparkasse 3 Beamte mit den entsprechenden Angestellten. Bemerkenswert ist noch, daß die Kreiskommunalkasse am 1. November 1931 nach dem Kreishause verlegt wurde und der Geldverkehr durch die Kreissparkasse erfolgt. Gedacht wird ferner noch hierbei des am 27. März verstorbenen Kreisausschußbürodirektors Ertel, an dessen Stelle Inspektor Fritsch berufen wurde. Die durch Stellenwechsel freigewordene Kreisausschuß-Sekretärstelle wurde mit dem Versorgungsanwärter Halm besetzt.


Verwaltungstätigkeit des Kreistages und Kreisausschusses
Im Kalenderjahr 1931 trat der Kreistag zu zwei Sitzungen zusammen und erledigte hierbei 15 Vorlagen. Der Kreisausschuß hatte 10 Sitzungen mit 514 Punkten zur Verhandlung. Verwaltungsstreitsachen waren keine zu entscheiden, wohl aber 223 Beschlußsachen zu erledigen. Die Beschlußsachen betrafen 1 in Angelegenheiten der Armenverbände, 77 Angelegenheiten von Landgemeinden, 105 Armen- und Fürsorgeangelegenheiten, 2 Schulangelegenheiten, 11 Wasserpolizeisachen, 8 Jagdpolizeisachen, 11 Gewerbepolizeisachen, 2 das Feuerlöschwesen, 4 Polizeiverordnungen und 2 das Hebammenwesen.

Der Kreisausschuß als Sektionsvorstand der schlesischen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft

Landwirtschaftliche Berufsunfälle waren im Berichts-jahre 484 (505). Von den Unfällen, für die erstmalig Entschädigungen festgelegt wurden, hatte 1 (5) den Tod zur Folge, 21 eine vorübergehende über 13 Wochen dauernde Erwerbsunfähigkeit. Unfallrenten erhielten 21 Verletzte. Insgesamt bezogen am Schluß des Berichtsjahres 103 (205) Verletzte, 35 Witwen mit 10 Kindern Renten. Berufungsfähige Bescheide wurden 422 erteilt. Kapitalabfindungen fanden 11 statt. In 7 Fällen wurde Unterbringung in eine Heilanstalt beschlossen. An Verwa1tungskosten erwuchsen der Sektion im Jahre 1931 RM 4.635,04. Erfreulicherweise hat sich die Beitragszahl um rund 16.000 Mark gesenkt, beträgt aber immer noch für die im Kreise Striegau vorhandene Landwirtschaft 90.580,05 RM. Wahrlich eine Riesensumme, die von der Arbeitgeberseite allein aufgebracht werden muß.


Das Vermögen des Kreises
Zinstragend angelegtes Vermögen hat der Kreis Striegau
1. in Anleiheablösungsschuld 9.100,00 RM
2. in Schuldverschreibungen 3.045,30 RM
3. in Hypotheken, (1.653.943,96 RM) einschl. Hauszinssteuerhypotheken 1.668.977,53 RM
4. in Spareinlagen 84.500,63 RM
5. Beteiligung an gemeinnützigen Unternehmungen 5.000,00 RM
6. in Roggenpfandbriefen 1.500,00 RM
= 1.772.123,46 RM

Das Grundvermögen des Kreises beträgt, abgesehen von den Kunststraßen und einigen Eisenbahndispositionsländereien
a ) in dem 130,06 ar großen Grundstück des Kreiskrankenhauses nach dem Ankaufswert 20.995,00 RM
b) mit dem Krankenhausgebäude und einem Nebengebäude nach dem Feuerversicherungswert 243.280,00 RM
c) dem Kreishausgrundstück in Größe von 28,10 ar Flächeninhalt und zwei Gebäuden im Ankaufs- und Herstellungswert 82.805,00 RM
d) in einem Grundstück Jauerstraße 14 (die Wiese) in Größe von 69,88 er zum Ankaufspreise von 39.457,00 RM
e) in dem Sparkassengrundstück am Ring Nr. 1 125.000,00 RM
f) in dem Altersheim in Gräben nach dem Ankaufs- und Herstellungswert 135.000,00 RM
= 2.418.660,46 RM

Nach dieser Aufstellung hat der Kreis Striegau in seinen Grundstücken, Ländereien, Hypotheken usw. 2.418.660,46 RM Vermögen, das er mit nach Schweidnitz nehmen muß und über das sich durch diese Kreis-Zerreißung nunmehr Schweidnitz und Neumarkt, ohne daß hierbei Striegauer Kreisbewohner etwas zu sagen haben, auseinanderzusetzen haben. Diesen Vermögenswerten steht ein 230.317 RM betragendes Darlehen einschl. 8.421 RM Aufwertungsschuld gegenüber.


Verkehrs-An1agen
Der Kreis Striegau hat ein Chausseenetz von 229.693 Metern, von denen 45.329 als Durchgangsstraße gelten und von der Provinz übernommen sind. Die Ersatzpflanzungen für die im Winter 1928-29 erfrorenen Bäume konnten fortgesetzt werden. Auch die Verbreiterung der Straße in Richtung Günthersdorf zur Anpassung an den Kraftwagenverkehr ist weiter erfolgt. In vier Richtungen wird der Kreis von der Eisenbahn durchschnitten, nämlich etwa 18 Kilometer in der Richtung Raudten-Kamenz, in einer Länge von 6 Kilometern von der Linie Striegau-Merzdorf und in einer Länge von etwa 17 Kilometern der Linie Striegau-Maltsch. Weiter dienen dem Verkehr die Kraftpostlinien Striegau-Metschkau mit 19 Kilometern, die Kraftpostlinie Metschkau-Ingramsdorf (Bahnhof) mit 28 Kilometern im Kreise, die Kraftpost Hohenfriedeberg-Striegau bis Bahnhof mit 11 Kilometern im Kreise, die Kraftpostlinie Saarau-Bertholdsdarf mit 10 Kilometern im Kreise, die Kraftpostlinie Puschkau-Striegau mit 10 Kilometern im Kreise und die von privater Seite durch die Firma Rücker in Jauer unterhaltenen Linien nach Damsdorf-Jauer und Häslicht-Gutschdorf. Ferner verkehren in der Stadt Striegau noch 3 Autobusse zum Bahnhof.


Pflege der Volksgesundheit
Zur Pflege der Volksgesundheit dient in erster Linie das Kreiskrankenhaus. Im Kreiskrankenhause sind 636 Kranke in insgesamt 14.836 Verpflegungstagen verpflegt worden und zwar waren es 374 männliche und 262 weibliche Personen. Der höchste Stand der Belegschaft wurde am 17.9.1931 mit 31 männlichen und 23 weiblichen Kranken erreicht. Die durchschnittliche Verpflegungsdauer belief sich auf 23 Tage. Verstorben sind im Kreiskrankenhause 58 Personen, von denen 26 männlich und 32 weiblich waren. An Personal ist außer den 6 Grünberger Diakonissen noch ein Krankenwärter und ein Hausdiener vorhanden. Mit dem Kranken-Auto wurden 218 Krankenbeförderungen vorgenommen. Die freiwillige Sanitätskolonne und die Arbeitersamariter erhalten vom Kreis eine Beihilfe.

Die Zahl der Mütterberatungs-Stellen beträgt 18, die Teilnehmerzahl betrug 512 mit 2.066 Einzelberatungen. Hausbesuche hatten die beiden Fürsorgeschwestern 4.517. Mit der Säuglingsfrage beschäftigten sich außerdem die 15 im Kreise tätigen Hebammen.

Die Zahl der in ländlichen Schulen untersuchten Kinder betrug 2.044. Die Zahl der sogenannten Ueberwachungssschüler beträgt 243. Zur Kur fortgeschickt wurden 32 Kinder. In der Tuberkulosenfürsorge ist die Beteiligung nicht so hoch. Hier fehlt es aber auch an einem leistungsfähigeren Röntgenapparat, so daß Kranke an auswärtige Fachärzte Oberwiesen werden müssen. Durch den Kreis-Desinfektor wurden 115 Wohnungs-Desinfektionen ausgeführt. Die 22 Krüppelberatungsstunden hatten 75 Ratsuchende, Geisteskranke befinden sich 91 in Anstaltspflege, ebenso 2 Blinde und 5 Taubstumme. Die Zahl der Unterstützten auf dem platten Lande wohnenden Kleinrentner beträgt 53 (57), der Sozialrentner 147 (187). Von diesen sind 134 Invaliden, 10 Witwen und 3 Waisen. Die Zahl der sonst der Fürsorge Bedürftigen beträgt nach dem Verwaltungsbericht des Jahres 1931 die Riesenzahl 5.034, im Vorjahre 1.567. Aus dieser Riesenzahl ist die ungeheure Arbeitslosigkeit im Kreise Striegau zu ersehen.

In den Listen des Wohlfahrtsamtes werden geführt 656 (653) Kriegsbeschädigte einschl. der 247 (246) Schwerbeschädigten, von denen 149 eine Zusatzrente erhielten und 736 Kriegshinterbliebene (927), von denen 325 Witwen, 206 Waisen und 205 Eltern sind. An Zusatzrenten wurden im Kalenderjahre 69.788,60 (87.207,00) RM, für Kriegshinterbliebene 193.052,80 (220.316,30) RM ausgezahlt.

Im Siechenhaus waren am Ende des Berichtsjahres 24 Personen untergebracht.

Die Inbetriebnahme des Kreis-Altersheim erfolgte am 27. Februar. Am Jahresschluß waren 16 Personen Insassen. Das Siechenhaus, wie das Altersheim, ebenso das Krankenhaus wird durch Grünberger Diakonissen betreut.


Jugendpflege und Jugendfürsorge
Durch das Jugendamt werden 1.538 Vormundschaften betreut, von denen neu im Jahre 1931 in 160 Fällen dies der Fall ist. Zur Gegenwart werden im Jugendamt noch 782 verwaltet. Ueberwachte Pflegekinder sind 69 nachgewiesen. Nur in 8 Fällen brauchte für schwererziehbare Kinder Fürsorgeerziehung beantragt werden.


Bildungswesen
Ländliche Fortbildungsschulen sind in 33 Ortschaften errichtet. Infolge der wirtschaftlichen Not konnte aber nur in 7 Schulen Unterricht gegeben werden. Ferner besteht in 7 Fällen anstelle einer ländlichen Fortbildungsschule eine gewerbliche Berufsschule.

Die Kreiswanderbibliothek hat 28 Bücherkästen mit 1.881 Bänden zur Verfügung. Ferner ist noch ein Bücherkasten mit 61 Bänden im Kreisaltersheim aufgestellt.


Wohnungswesen
Mit Hilfe der öffentlichen Mittel wurden im Kreise Striegau 511 Wohnungen errichtet, die 1.782.170 RM Hauszinssteuer erhielten, von denen wieder 367.900 aus örtlichem Aufkommen und 1.414.270 aus dem staatlichen Ausgleichsfonds stammen. Im Jahre 1931 wurden 66 Wohnungen mit 205.000 RM Hauszinssteuerhypotheken errichtet, von denen 17.000 RM aus eigenem Aufkommen und 188.000 RM aus dem staatlichen Ausgleichsfonds sind.


Elektrizitätsversorgung
Im Kreise Striegau liegen 147 Kilometer Hochspannungsleitung. 47 Ortschaften werden durch das Ueberlandzentralenetz versorgt, die übrigen waren bereits vor der Schaffung der Überlandzentrale an das Netz von Waldenburg angeschlossen.


Kreissparkasse
Die Kreissparkasse hatte im Kalenderjahr nach den Einnahme- und Aus-gabebüchern 138 198 Geschäftsvorfälle. Spareinlagen wurden zur Sparkasse in Höhe von 2.123.305,66 RM gebracht, abgehoben wurden wiederum 2.118.579,26 RM, so daß der Zuwachs im Kalenderjahr 1931 nur 4.726,40 RM beträgt. Das Gesamteinlagekapital betrug am Ende des Kalenderjahres 1931 die stattliche Summe von 5.333.750,21 RM. Neu ausgegeben wurden 1.569 Sparbücher, deren Gesamtausgabe somit am Schluß des Kalenderjahres 10.011 betrug. Der Gesamtumsatz im Giroverkehr beträgt 163.354.100,88 RM. Auch dies soll nunmehr der letzte Bericht der Sparkasse des Kreises Striegau sein. Hoffentlich kann auch im nächsten Jahre auch hier wieder ein weiterer Aufstieg dieses Institutes berichtet werden.


DIE ENTWICKLUNG DER VERSORGUNG DER STADT STRIEGAU MIT GAS, WASSER UND ELIEKTRIZITAT

Von Stadtrat Menzel, Dezernent der städtischen Betriebswerke

Wenn man den Kulturstand einer Stadt beurteilt, wird man in erster Linie die Frage aufwerfen, wie ist die Versorgung der Bevölkerung mit den notwendigen Beleuchtungsmitteln, mit Wasser, und wie ist die Kanalisation einer Stadt beschaffen. Von diesem Standpunkte betrachtet sollen die nachfolgenden Zeilen sprechen, die auf Wunsch der Redaktion des „Striegauer Anzeigers“, als Beitrag zu ihrer Festnummer anläßlich des 50jährigen Bestehens geschrieben werden.

Die Entwicklung der Stadt Striegau, die in der Mitte des vorigen Jahrhunderts ganz besonders stark einsetzte, brachte es mit sich, daß bereits im Jahre 1860 von privater Seite an den Bau einer Gasanstalt herangegangen wurde, nachdem das erforderliche Gelände durch Zuschütten des damaligen Wallgrabens an der Nordost-Ecke der Stadt geschaffen worden war. Im Jahre 1861 war der Bau der Gasanstalt beendet. Nachdem die erforderlichen Rohrregungen ausgeführt waren, brannte bereits am 21.8.1862 die Straßenbe1euchtung mit insgesamt 41 Laternen. Eine Beleuchtung, die gemessen an dem vorhergehenden Zustande, einen wesentlichen Fortschritt in der Sicherheit der Stadt bedeutete. Der Entwicklung der Gasanstalt als privates Unternehmen waren verschiedene Hemmnisse gesetzt, die sich weder im Interesse der Stadt noch des Werkes selbst beheben ließen, und so kaufte im Jahre 1868 der Magistrat die Gasansta1t für den Preis von 33.000 Ta1ern. Von dieser Zeit an bildeten die Ueberschüsse des Gaswerks eine nicht unerhebliche Einnahme im jeweiligen Etat der Stadt Striegau. Die Entwicklung der Gasbeleuchtung vom Bunsenbrenner bis zum modernen Gashängelicht ist in dieser Zeit des Bestehens vom Werk voll ausgenutzt worden.

Die Produktion der Gasanstalt, die in den ersten Jahren entsprechend der Einwohnerzahl sehr klein war, stieg von Jahr zu Jahr, so das nicht unwesentliche Umbauten im Laufe der Jahre vorgenommen werden mußten. Noch kurz vor Kriegsausbruch baute die Verwaltung den neuen, hinter dem Stadtbad gelegenen 3.000 cbm fassenden Gasbehälter. Bis zum Jahre 1926 erfolgte die Produktion des Gases in horizontalen Retortenöfen, eine Betriebsweise, die den modernen Verhältnissen nicht mehr angepaßt war. Deshalb erfolgte im Jahre 1927 eine vollständige Umstellung durch den Bau eines großen Vertikalkammer-Ofens, der hinsichtlich der Ausnutzung der Kohlen, Qualität des Gases und hervorragender Beschaffenheit des Kokses das Beste darstellt, was die Technik der Gasbereitung bisher ermöglicht. Mit diesem Umbau ist das Gaswerk Striegau eine der modernsten Gaserzeugungsanlagen der Provinz Schlesien geworden. In der gleichen Weise wie die Stadt sich weiter entwickelte, ist auch die Straßenbeleuchtung besser geworden. Zurzeit werden die Straßen der Stadt durch etwa 270 Laternen beleuchtet.

Durch die Verwendung von Elektrizität ist das Gas von der ursprünglichen Bedeutung, Spender des Lichtes zu sein, abgedrängt worden, um eine andere nicht minder wichtige Aufgabe zu erfüllen.

Koche mit Gas! Heize mit Gas!

sind Schlagwörter, die heute kaum mehr angewendet werden brauchen, da Steinkohlengas zu Koch- und Heizzwecken fast in jedem Haushalte unserer Stadt Verwendung findet. Es steht zu erwarten, daß der Entwicklung des Gasverbrauchs in dieser Richtung für die Zukunft noch große Aufgaben bevorstehen.


Die Wasserversorgung
der Stadt Striegau war bis zum Jahre 1902 allein auf die hierorts vorhandenen privaten und öffentlichen Brunnen angewiesen. Versuche, eine Wasserleitung zu erbauen, scheiterten immer wieder an der Unmöglichikeit der Beschaffung der erforderlichen Menge an Wasser. Nach jahrelangem Bemühen gelang es, am unteren Ende des Dorfes Oelse auf ausreichende unterirdische Wasserströme zu stoßen, die in Bezug auf Beschaffenheit und Menge das Günstigste der damals angestellten Bohrungen darstellten. Nachdem der Bau des Werkes und die Rohrlegungen beendet waren, konnte die Bevö1kerung erstmalig am 5.10.1902 mit Wasser aus der neuen Leitung versorgt werden. Die Anlage des Werkes und die Beschaffenheit des Wassers müssen als mustergültig bezeichnet werden. An der Wasserförderungsanlage haben in der Zeit ihres Bestehens wesentliche Aenderungen nicht vorgenommen werden brauchen. Das Werk ist so vorsorglich angelegt, daß mehr als die doppelte Zahl der Einwohner Striegaus ausreichend mit Wasser versorgt werden können, während die Qualität des Wassers, das einer ständigen Kontrolle des Bakteriologischen Institutes in Breslau untersteht, als eine der besten Sch1esiens bezeichnet wird. Die mineralischen Bestandteile unseres Wassers haben sich wenn auch nicht als heilwirkend, so doch aber als gesundheitsfördernd erwiesen. Sind doch seit Errichtung der Wasserleitung irgendwelche ansteckende Krankheiten in Striegau nicht mehr aufgetreten. Die früher hier häufig grassierende Tuberkulose ist in unserer Stadt fast völlig ausgestorben. Diese Tatsache, wie auch das Zurückgehen anderer öfters wiederkehrender Krankheiten sind ausschließlich auf die gute Beschaffenheit des Wassers zurückzuführen. Die gemessene Gesamtwasser-Abgabe in den letzten Jahren betrug etwa 375.000 Kubikmeter je Jahr oder pro Kopf und Tag der Bevö1kerung 70 Liter. Die Länge des Wasserrohrnetzes beträgt 21.000 Meter.

Erst verhältnismäßig spät gegenüber anderen Städten und der umliegenden Dörfer hat die

Elektrizitätsversorgung
in Striegau Eingang gefunden. Die Verhandlungen, die bereits vor Ausbruch des Weltkrieges einsetzten, wurden durch diesen und andere Maßnahmen verzögert, sodaß erst im Jahre 1921 durch einen Vertrag mit der Eisenbahnbaugesellschaft Becker und Co. die Stromzuführungsleitungen an unsere Gemeinde herangebracht wurden. Mit der Vorbestellung von nur einigen 20 Hausanschlüssen wurde an den Ausbau eines 0rtsnetzes herangegangen. Leider hinderte der damalige Mangel an brauchbarem Material und der damalige Stand der Technik die Errichtung einer nach den heutigen Verhältnissen als modern zu bezeichnenden Anlage. Im Gegensatz zum Wasserwerk haben umfangreiche Neu- und Umarbeitungen des bestehenden Ortsnetzes und der Versorgung im Laufe der letzten Jahre stattfinden müssen. Die Zuverlässigkeit in der Stromversorgung war in den ersten Jahren eine durchaus ungenügende. Erst die im Jahre 1925 erfolgte Erbauung eines Schalthauses und einer weiteren Transformatorenanlage in der Bahnhofstraße brachte normale Zustände. Dazu ist es gerade in der Elektrizitätsversorgung gegeben, daß infolge der dauernd entstehenden Neuerungen und Verbesserungen auch Um- und Ausbauten des Werkes nicht ausbleiben und auch in Zukunft erforderlich sein werden. Aus einem großen Teile der inneren Stadt sind die störenden Freileitungen entfernt, und die Versorgung geschieht durch Erd-Kabel, wodurch das Ortsbild als solches nicht unwesentlich beeinflußt worden ist.. Leider haben die wirtschaftlichen Verhältnisse der letzten Jahre in dem Stromabsatz eine nicht unwesentliche Verminderung verursacht. Noch vor wenigen Jahren wurde ein Jahres-Umsatz von mehr als 500.000 kwh verzeichnet, der aber trotz wesentlicher Erweiterung des Ortsnetzes um mehr als 10 Prozent zurückgegangen ist. Etwa 650 Hausgrundstücke sind an die Elektrizitätsversorgung angeschlossen, sowie etwa 260 Motoren mit circa 1.000 PS Leistung.
Auf die finanzielle Entwicklung unseres Gemeinwesens sind die vorerwähnten drei städtischen Betriebe nicht ohne Einfluß geblieben. Im Jahre 1924 konnte aus den Werken ein Reingewinn von etwa 50.000 Reichsmark der Kämmereiverwaltung zur Verfügung gestellt werden. Durch die Modernisierung der Anlagen ist dieser in den letzten Jahren auf annähernd 200.000 Reichsmark gestiegen. Nur mit Hilfe dieses Ueberschusses ist es der Stadtverwaltung bisher möglich gewesen, den hohen Anforderungen zu entsprechen, die aufgrund der durch die darniederliegende Wirtschaft und die dadurch verursachte Arbeitslosigkeit an sie herangetreten sind.
Gaswerk, Wasserwerk und Elektrizitätswerk müssen im gegenwärtigen Etat zusammen fast eine Viertelmillion an Ueberschuß zur städtischen Kämmereikasse abführen, eine Summe, die bei der fortgesetzten schweren Wirtschaftslage gewiß nicht leicht herauszuwirtschaften ist. Dazu kommt noch, daß so manche Verbesserungen in den einzelnen Werken aus laufenden Mitteln bestritten werden müssen, weil es eben nicht möglich ist, langfristige Gelder hereinzunehmen. All dies aber zwingt der Striegauer Bevölkerung recht ansehnliche Preise für Gas, Wasser und auch Elektrizität auf, die gerade bei Wasser und Elektrizität recht spürbar sind. Der Striegauer Wirtschaft kommen trotzdem die Werke noch bei Gas und Elektrizität mit recht weit auswirkenden Rabattsätzen entgegen; hat doch die Stadt Striegau Gewerbeunternehmungen, die jährlich weit über 200.000 Kubikmeter Gas verbrauchen.

Ferner soll nicht unterlassen werden, zu erwähnen, daß seit dem Jahre 1909 sich unsere Stadt im Besitze einer

Vollkanalisation
befindet und damit in Bezug auf sanitäre Einrichtungen sämtliche Nachbarstädte weit überflügelt hat, wird doch in der Stadt Schweidnitz heute noch an dem Ausbau der Kanalisation gearbeitet, während unseres Wissens in Neumarkt Gasanstalt und Kanalisation unbekannte Einrichtungen sind. Mögen auch diese Tatsachen dazu beitragen, daß in der Frage der Kreisaufteilung eine für Striegau annehmbare Lösung durch die Regierung gefunden wird, und daß damit das Wirtschaftsleben unserer Stadt keine weitere Verschlechterung erfährt, damit die zum Segen der Bevölkerung bisher wirkenden städtischen Einrichtungen auf dem Wege der Fortentwicklung keine Einbuße erleiden.