Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte/4/303

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Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte
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war, erhielt er einen Ruf an die Universität Kiel als Prokanzler und erster Professor der Theologie. Hier wirkte er mit größtem Eifer für das Beste der Universität und zunächst für die Bildung der jungen Theologen, erlebte auch in seinem Alter die Freude, daß zwei seiner Söhne Professoren in Kiel wurden, während er selber Kanzler der Universität geworden war. Sein Sterben war ein wahrhaft erbauliches. Sein Freund Klopstock hat ihm in seinem Wingolf, welche Ode man einen aus Liedern erbauten Tempel der Freundschaft genannt hat, ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Cramer's sämmtliche Gedichte erschienen 1782—83 zu Leipzig in drei Bänden, meist geistliche Lieder und Oden oder Hymnen, unter denen sich vor allen die an Luther auszeichnet.

Die heutige Kritik erkennt es an, daß Cramer um die Cultur der deutschen Sprache in der lyrischen Poesie sich verdient gemacht habe, ja, er gilt selbst „als Meister der schwunghaften geistlichen Lyrik“, und es wird ihm vorzüglich nachgerühmt, daß er besonders auf das Musikalische drang. Nach der heutigen theologischen Richtung[1] wird aber getadelt, daß er in seinen Liedern, wie auch in seinen Predigten, manchmal in ein rhetorisches Pathos verfallen sei, statt in die Tiefen der christlichen Heilswahrheiten einzudringen, und daß „der philosophirende Theolog“, wie er sich selber auf dem Sterbebette genannt hat, in seinen geistlichen Liedern überall durchblicke. Unser von ihm redigirtes Gesangbuch wird wegen seiner Umarbeitungen und Veränderungen älterer Lieder scharf mitgenommen, und dabei behauptet, daß von solcher Liederverbesserung fast nur diejenigen von Klopstock und seinen Schülern verschont geblieben wären, die älteren Gesänge dagegen einer subjectiven Modernisirung unterworfen worden seien. Es fehle den Liedern manchmal an der Schlichtheit des echten Kirchenstils, und selbst an den alten Kirchenliedern sei die kernige Bibelsprache weggefeilt. Neben der Menge schwunghafter Lieder im Klopstock'schen Hymnen-Ton kämen auch trockene, moralisirend lehrhafte Lieder vor, bei welchen man zum Theil eine Nachwirkung der Gottsched'schen Schule spüre, welcher Cramer ursprünglich angehört habe. Er hat mehr als 400 geistliche Lieder geliefert, von denen eine sehr große Anzahl in die damaligen Gesangbücher Aufnahme fand, und selbst in die der


  1. Koch, a. a. O. S. 239, 334 ff.