Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte/4/162

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte
Register  |  1. Band  |  2. Band  |  3. Band
4. Band  |  Inhalt des 4. Bandes
<<<Vorherige Seite
[161]
Nächste Seite>>>
[163]
SH-Kirchengeschichte-4.djvu
unkorrigiert
Dieser Text wurde noch nicht korrekturgelesen und kann somit Fehler enthalten.

ihren Gegnern mit Ketzernamen belegt werden mochten, auf dem Boden der Kirche selbst. Gerade dieser Umstand trug nicht wenig dazu bei, demselben Beistimmung und Eingang im Volke zu verschaffen. Das Volk fühlte es heraus, daß es sich dabei nicht um einen Umsturz von Grundlehren handle, und der ernstere Volkscharakter kam dem ernsteren Bußrufe der Pietistischen Prediger entgegen. Daneben konnte es freilich auch in den Kreisen des Volkes an Gegnern der dem Pietismus zugeneigten Geistlichen nicht fehlen, besonders insofern bei einigen dieser Geistlichen eine Seite schroff hervortrat, welche von Anfang an den Pietismus in seiner äußeren Erscheinung charakterisirt hatte. Es war dies die Strenge, mit welcher über das geurtheilt ward, was man „Welt“ nannte, über die Theilnahme an Vergnügungen und Zerstreuungen und an manchen Dingen des äußerlichen Lebens überhaupt, die man nicht als an sich gleichgültig angesehen wissen wollte. Darin lag die Anforderung einer in dem ganzen äußeren Lebenswandel durch Enthaltung von allem weltförmigen Wesen ausgeprägten Frömmigkeit. Ganz besonders wurden Tanz, Spiel und Kleiderpracht verworfen und sehr hart beurtheilt. Bis weit in das achtzehnte Jahrhundert hinein, ja bis gegen das Ende desselben, finden wir in unserem Lande einzelne Prediger, deren Namen zum Theil in den Kreisen des Volkes noch in frischem Andenken leben, welche es sich besonders angelegen sein ließen, dawider zu eifern, und so die einmal durch den Pietismus gegebene Richtung lange verfolgten. An die Stelle der weltlichen Zusammenkünfte sollten geistliche treten zur besonderen Erbauung, wie denn wegen solcher Zusammenkünfte, der Collegia pietatis, angefangen zu Leipzig 1689, den Theilnehmern an denselben bekanntlich zuerst der Name „Pietisten“ beigelegt worden war. Die Aengstlichkeit, auch in Nebendingen, welche ein unterscheidendes Merkmal der pietistisch Gesinnten blieb, rief manche Spötterei und selbst manche offene Widersetzlichkeit auch im Volke hervor, und es pflanzte sich ein solches Widerstreben nicht weniger auch gegen die Anhänger und Freunde der Brüdergemeinde fort, als diese später hier zu Lande Aufnahme fand. Diese Gemeinde kann allerdings von Einer Seite her als aus der pietistischen Richtung entsprossen angesehen werden; andererseits aber hat sie freilich eine eigenthümliche Gestaltung angenommen. Es wird davon in unserm nächsten Capitel die Rede sein. Hier haben wir es zunächst mit dem