Neumanns Orts-Lexikon des Deutschen Reichs 1894/XXXIII
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Neumanns Orts-Lexikon des Deutschen Reichs 1894 | |
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Zweite(Berufungs- und Beschwerde-) Instanz: 1) die Lanadgerichte, und zwar die Zivilkammern, bilden für die in erster Instanz an die Amtsgerichte verwiesenen Sachen die zweite Instanz, während 2) die Oberlandesgerichte, und zwar die mit fünf Richtern zu besetzenden Zivilsenaate, über die gegen die in erster Instanz gefällten Endurteile der landgerichte eingelegte Berufung entscheiden.
Dritte(Revisions- und Beschwerde-) Instanz: 1. Das Reichsgericht (in Leipzig) entscheidet durch den mit 7 Mitgliedern besetzten Zivilsenat in dritteer Instanz über das gegen die in zweiter Instanz gefällten Endurteile ser Oberlandsgerichte zullässige Rechtsmittel der Revision. 2) Das Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz enthält aber für die größern Bundesstaaten, in welchen mehrere Oberlandesgerichte errichtet werden, den Vorbehalt, daß hier die nach dem vorstehenden zur Kompetenz des Reichsgerichts gehörige Verhandlung und Entscheidung von Revisionen und Bescherden auch einem obersten Landesgerichtzugewiesen werden kann. Bayern hat hiervon mit der Errichtung eines oberste Landesgerichts Gebrauch gemacht.
Executionsinstanz: Die gerichtliche Zwangsvollstreckung ist teils besondern Vollstreckungsbeamten, den Gerichtsvollziehern, teils den Amtsgerichten übertragen. Erstere haben namentlich die Exekution in das Mobiliarvermögen (Auspfändung) zu besorgen, während die Hilfsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen, in fForderungen und ähnliche Vermögendsrechte, ebenso die Erzwingung einer Handlung oder Unterlassung durch Amtsgerichte verwirkt wird.
Strafsachen.
Erste Instanz: 1) Amtsgerichte mit Schöffengerichten, welch letztere aus dem Amtsrichter als Vorsitzendem und zwei aus dem Volk erwählten Schöffen gebildet werden, sind für die sogen. Übertretungen und diejenigen Vergehen, welche nur mit Gefängnis bis zu 3 Monaten oder mit Haft oder mit Geldstrafe bus zu 600 Mk. bedroht sind, zuständig. Außerdem gehören noch Beleidigungen und Körperverletzungen, welche im Wege der Privatklage verfolgt werden, bebenfalls vor die Schöffengerichte; ferner der einfache Diebstahl, und Betrug, die einfache Unterschlagung und Sachbeschädigung, wenn der Wertbetrag des Verbrechensgegenstandes die Summe von 25 Mk. nicht übersteigt, und endlich die Begünstigung und Hehlerei, wenn die verbrecherischen Handlungen, auf welche sie sich beziehen, ebenfalls in die Kompetenz des Schöffengerichts fallen. 2) Die mit fünf Richtern besetzte Stragkammer der Landgerichte sind für diejenigen Vergehen zuständig, welche nicht vor die Schöffengerichte gehören; ferner für diejenigen Verbrechen, welche höchstens mit fünfjähriger Zuchthausstrafe bedroht sind; dann für die Verbrechen jugendlicher (noch nicht 18jähriger) Personen; für gewisse Unzuchtsverbrechen; für schweren Diebstahl und schwere Hehlerei und für Betrug, Diebstahl und Hehlerei im wiederholten Rückfall; endlich auch für die in verschiedenen Reichsgesetzen, wie z. B. im Bank- und im Aktiengesetz, für strafbar erklärten Handlungen. 3) Schwurgerichte, welche periodisch bei den Landgerichten zusammentreten und aus drei richterlichen Mitgliedern bestehen, urteilen über schwere Verbrechen. Über die Schuldfrage entscheiden zwölf Geschworene. 4) Das Reichsgericht entscheidet in erster und letzeter Instanz überdie gegen Kaiser oder Reich gerichteten Verbrechen des Hochverrats und des Landesverrats.
Berufungs- und Revisionsinstanz: Eine eigentliche Berufung (Appellation) ist nur gegen Urteile der Schöffengerichte gestattet. Sie geht an die sTrafkammer des Landgerichts. Dagegen ist durch das gegen die Strafurteile der Landgerichte und der Schwurgerichte zulässige Rechtsmittel der Revision (Nichtigkeitsbeschwerde) die Möglichkeit gegeben, für den Fall einer Verletzung eines Gesetzes die nochmalige Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage in der höhern INstanz oder doch die Aufhebung des Erkenntnisses und die Rückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung herbeizuführen. Als Revisionsgerichte fungieren: 1) die mit fünf Richter besetzten Strafsenate der Oberlandesgerichte, wenn es sich um die Anfechtung von Urteilen der Strafkammern in der Berufungsinstanz oder von in erster INstanz gefällten Urteilen derselben handelt, in dem letzteren Fall aber nur, sofern die Revision ausschließlich auf die angebliche Verletzung einer landesgesetzlichen Bestimmung gestützt wird. 2) Handelt es sich dagegen um die Verletzung einer reichsgesetzlichen Norm, also namentlich einer Bestimmung des Reichsstrafgesetzbuchs, durch ein in erster Instanz gefälltes Urteil der Strafkammer, so geht die Revision andas Reichsgericht, welches auch über die gegen Urteile der Schwurgerichte eingelegte Revision zu entscheiden hat.