Lehrbuch der gesammten wissenschaftlichen Genealogie/103

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Lehrbuch der gesammten wissenschaftlichen Genealogie
Inhalt
Vorwort | Einleitung
Erster Theil: Kap. 1234
Zweiter Theil: Kap. 1234
Dritter Theil: Kap. 123456
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Lehrbuch der gesammten wissenschaftlichen Genealogie.djvu
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Ahnenbäume charakteristisch, daß die neuzeitliche Kunstepoche an die Stelle der in den römischen Rechtsbüchern durch tiefherabhängende Aeste charakterisirten Esche des nüchternen Verwandtschaftsformulars. Durchaus die breit nach oben mächtig verzweigte Eiche fast ausnahmslos zu setzen pflegt.

      Als eines der schönsten Werke dieser Art halte ich den im Besitze der Münchener Bibliothek befindlichen mit bewunderungswürdiger Feinheit ausgeführten großen, in Kupfer gestochenen Stammbaum des Johannes Herold von 1555, welcher die Wittelsbachische und Habsburgische Verwandtschaft auf den Merowingischen König der Franken „Thieterich“, phantastisch genug in seinem genealogischen Inhalt zurückführt. Die Arbeit verdient eine größere Beachtung, sie zeigt von dem großen Interesse welches die Wittelsbacher bis ins achtzehnte Jahrhundert diesen genealogischen Schaustellungen bewahrt haben.[1] Für den praktischen Gebrauch war freilich die monströse Behandlung genealogischer Dinge durch die Kunst überhaupt weniger geeignet, aber der Stammbaum hat sich trotz seiner Unbequemlichkeit für Zwecke des eigentlichen Studiums nicht mehr entwurzeln lassen, und treibt seine Blüten bis in unsere Tage, in denen Nachahmungen der alten figuralen Darstellungen wieder sehr beliebt werden.

      So war es wol auch als eine Nachwirkung der Stammbaumvorstellung zu betrachten, wenn auch da wo keine künstlerische Notwendigkeit dazu veranlaßte, die Descendenzen von unten nach oben dargestellt worden sind. In dieser Weise ist zum Beispiel in dem im Jahre 1592 gedruckten Buche des Dominikaners Joseph Texera, welcher die Vorfahren des Königs Heinrich IV. von Frankreich mit üblicher Phantasie auf Antenor, Dagobert und Garsias zurückführt, [2] das Baummotiv so sklavisch festgehalten daß man die schön gedruckten Tafeln stets von unten nach oben lesen muß. obwol nichts weiter als die in Kreisen stehenden Namen und die


  1. München, Cod. iconogr., Nr. 387. In der Ausstellung zu sehen. Genauere Beschreibung und Besprechung bedauere ich nicht geben zu können, da dazu ein sehr gutes Auge nötig wäre. Vgl. auch den gemalten Stammbaum Nr. 388 und den Kupferstich von 1745 Nr. 386.
  2. Schöner Druck, Lugd. Batav. 1592.