Klima des Memellandes
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Sommer und Winter
Im großen und ganzen hat das Memelgebiet ein gemäßigtes Klima, d.h. nicht zu heiße Sommer und mäßig kalte Winter; deshalb kann sich auch hier eine so üppige Pflanzenwelt entwickeln. Trotzdem gibt es bei uns Winter, in denen das Thermometer über 30 Grad Celsius unter Null sinkt; so war es in den Wintern 1917 und 1920. Zu Zeiten sind dann infolge des Frostes und bei dem allgemeinen Mangel an Heizmaterial mehrwöchige Kälteferien eingetreten. In den Sommern gibt es auch hin und wieder Hitzferien, wenn die Temperatur auf + 20 Grad C und darüber gestiegen ist. Im Jahre 1921 haben wir bereits im Juni über 30 Grad C gehabt. Die Wärmeunterschiede betragen also gewöhnlich über 60 Grad. An der See und an den Flüssen werden Frost und Hitze um 2 - 30 Grad gemildert. Die scharfe Seeluft läßt das Wetter im allgemeinen etwas rauher erscheinen. Einen Unterschied merkt man schon zwischen Heydekrug und Memel. So z.B. stellt sich die Kirsch- und Fliederblüte in der Umgebung Memels bis zu 8 Tage später ein als in den Kreisen Heydekrug und Pogegen, und am 5. und 6. Dezember 1921 war in Memel Tauwetter, also 0 Grad, während in Heydekrug an beiden Tagen 8 bzw. 6 Grad Frost festgestellt wurde (Seeklima!)
Frühling und Herbst
Unser Frühling ist meistens kurz und sehr "wetterwendisch". Er beginnt recht selten im Februar und März. Die schädlichen Nachtfröste ziehen sich manchmal sogar bis in den Juni hinein (1917) und vernichten dann die Baumblüte und den Pflanzenwuchs. Am gefürchtetsten ist die Zeit der "gestrengen Herren" (vom 11. bis 14. Mai). Diese Rückschläge werden durch kalte Luftströmungen erzeugt, welche höchstwahrscheinlich durch die erst in dieser Zeit erfolgenden Schneeschmelze in der nördlichen Ostsee entstehen.
Der Herbst ist bei uns meistens länger und schöner als in anderen Gegenden; er beginnt mit heiteren warmen Wochen. Ende Oktober und Anfang November tritt nebliges, feuchtkaltes Wetter auf. Heftiger Sturm und Regen wechseln miteinander ab. Etwa Mitte November stellt sich gewöhnlich Frost ein. Flauer und milde, oft regnerische Winter sind hier häufiger. Der Verkehr in den Forsten, Mooren und Niederungen ist dann sehr beschwerlich, ja, oft unmöglich. Anhaltender, nicht zu strenger Frost wird so von der Bevölkerung herbeigewünscht. (Schaktarp!)
Gesundheitszustand
Trotz der auffallenden Veränderung und der großen Wärmeunterschiede im Sommer und Winter ist die Witterung der Gesundheit nicht ungünstig. Am ungesundesten sind die nebligen, feuchtkalten Tage im Frühjahre und Herbste. In diesen Zeiten zeigen sich mancherlei Erkältungskrankheiten, besonders die Grippe. Die verhältnismäßig zahlreichen klaren Sommer- und frischen Wintertage sind aber sehr dazu geeignet, den Gesundheitszustand zu fördern. Die Bewohner haben sich in ihrer ganzen Lebensweise den Witterungsverhältnissen angepaßt und fühlen sich bei dem Klima recht wohl; viele von ihnen erreichen ein hohes Alter.
- Eeen Kerl so vonne oale Oart
- Dreggt sienem Pelz bit Himmelfoahrt.
- Un kemmt em denn dat Freere an,
- So dreggt he em bit to Johann.
- Un deit em denn de Buk noch weh,
- So dreggt he em bit Bartlomä.
- Un fängt et denn to freere an,
- Denn titt he em wedder von vorne an!
Winde
Die Winde treten am häufigsten und stärksten von Westen her auf; sie bringen fast immer Regen, mindestens Bewölkung mit sich. Ueber einen Mangel an Winden kann sich das Gebiet nicht beklagen. Ein windfreier Tag ist eigentlich eine Seltenheit. Von besonderer Heftigkeit und Stärke sind die Winde am Haff (Windenburg!) und an der See. Die Windstärke mißt man mit den Nicholsonschen Schalenkreuz, welches auf dem Dache der Landwirtschaftlichen Winterschule in Memel zu finden ist. Die Umdrehungen des Schalenkreuzes werden auf ein Uhrwerk übertragen. Im Winter tritt bei diesen Winden heftiges Schneegestöber ein, nach dem sich meistens Tauwetter einstellt.
Im Interesse der Landwirtschaft werden in den letzten Jahren bei allen Telegraphenanstalten Wetterberichte herausgegeben; diese werden auch in der Zeitung [1] bekannt gegeben.
Wetterregeln
- Sonnjahr - Wonnjahr!
- Kotjahr - Notjahr!
Januar
- Im Januar viel Regen, wenig Schnee tut Bergen, Tälern und Bäumen weh.
- Januar warm, daß Gott erbarm´!
- Tanzen im Januar die Mücken, muß der Bauer nach dem Futter gucken.
- Nebel im Januar macht nasses Frühjahr.
- Hat der Januar Wind, regnets geschwind.
Februar
- Lichtmeß im Klee, Ostern im Schnee.
- Zu Lichtmeß hat der Bauer lieber den Wolf im Stall als die Sonne.
- Im Februar muß´ d´ Lerch´ auf die Heid´, mags sein lieb oder leid.
- Scheinen Fastnacht viele Stern´, so legen die Hennen gern.
März
- März nicht zu trocken und nicht zu naß, füllt dem Bauer Scheune und Faß.
- Märzschnee tut den Früchten weh.
- Feuchter März, des Bauern Schmerz.
- Märzenstaub bringt Gras und Laub.
April
- Trockner April nicht des Bauern Will´.
- Aprilregen, großer Segen.
- Es ist kein April so gut, er schneit dem Hirten auf den Hut.
Mai
- Kühler Mai, viel Stroh und Heu.
- Wenn die Wachteln fleißig schlagen, läuten sie von Regentagen.
Juni
- Wenn kalt und naß der Juni war, verdirbt er meist das ganze Jahr.
Juli
- Im Juli muß vor Hitze braten, was im September soll geraten.
- Reißt die Spinne ihr Netz entzwei, kommt ein Regen bald herbei.
- Wind vom Niedergang ist Regensanfang. Wind vom Aufgang, schönen Wetters Anfang.
August
- Wer im Heumond nicht gabelt, in der Ernte nicht pabelt, im Herbst nicht früh aufsteht, der schau, wie´s ihm im Winter geht.
September
- Septemberregen, dür Saat und Reben dem Bauer gelegen.
Oktober
- Fällt der erste Schnee in´n Dreck, wird der Winter ein Geck.
November
- Martinitag trüb, macht den winter lind und lieb, ist er hell, so macht er das Wasser zur Schell´.
Dezember
- Weihnachten naß, gibt leere Speicher und Faß.
- Wenn der Nord zu Vollmond tost, folgt ein langer harter Frost.
- Fließt jetzt noch der Birkensaft, dann kriegt der Winter keine Kraft.
Literatur
- Meyer, Richard (Kreisschulrat in Heydekrug): Heimatkunde des Memelgebietes, Robert Schmidt´s Buchhandlung, Memel 1922, S. 43 ff