Instructionsbuch für den Infanteristen (1872)/073
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Anstalt hervorgegangenen, als Lehrer ausgebildeten Offiziere und Unteroffiziere mehr und wurde nun durch die Instuction vom 21. October 1860, in welcher die ganze Sache zu einem lebendigen und verpflichteten Theil der ganzen Ausbildung des Soldaten gemacht wurde, allgemein. Es heißt in dieser Instuction, daß die Gymnastik ohne Ausnahme von sämmtlichen Mannschaften der Comagnie zu üben ist, natürlich unter Berücksichtigung des Alters und der Körperbeschaffenheit Einzelner, wofür übrigens auch die Militär-Aerzte bei der Aushebung und Einkleiung schon sorgen, Weiter ist dann gesagt, daß die Gymnastik nicht allein deswegen betrieben werden soll, um bei jedem Soldaten Kraft und Gewandheit, sondern im Verein mit dem Exerziren auch das moralische Element zu beleben und zu stärken, und da sitzt denn auch wirkich die eigentliche Hauptsache. Wer sich unter allen Umständen auf seinen Körper verlassen kann, -- wem die Gliedmaßen willig gehorchen -- wer sich kräftig fühlt, ist ein anderer Kerl, ist unabhängiger, muthiger und rücksichtsloser bei jeder Gefahr und sieht anders um sich her, als ein Muttersöhnchen, das nur hinterm Ofen und auf der Schulbank gesessen. Darum sollen auch alle Unteroffiziere gymnastisch so weit ausgebildet sein, daß sie den Mannschaften alle Uebungen vormachen und den Herren Offizieren als Lehrer-Gehülfen dienen können, denn der Unterricht wird immer von den Herren Offizieren geleitet. Zeichnen sich unter den Mannschaften einige durch besondere Anstelligkeit, rasches Auffassen und geschickte Ausführung aus, so können sie den Unteroffizieren, welche selbst Lehrer-Gehülfen sind als Gehülfen begegeben werden, in demselben Verhältniß, wie die Exerzir-Gefreiten. Wie es verschiedene Schießklassen in der Compagnie giebt, so sollen die Mannschaften auch in 3 Turn- und 3 Fechtklassen eingetheilt werden, welche aber nicht von einander abhängig sind und Nichts mit einander zu thun haben, denn es kann kommen, daß ein Soldat sich schon lange in der ersten Turnklasse, aber dabei in der dritten Fechtklasse befindet. Die dritte oder unterste Turnklasse, mit welcher also angefangen wird, lehrt die gymnastischen Schul- oder Grundformen, die zweite Turnklasse lehrt die vollkommene Ausführung sämmtlicher Frei-, Gewehr- und Rüstübungen, und die erste Klasse lehrt die Anwendung des in den beiden früheren Klassen Erlernten auf die Vorkommnisse im Kriege, bei Gefahren und unter allen Umständen, wo die erlangten Fertigkeiten nutzen können. Die dritte oder unterste Fechtklasse lehrt dagegen die Schulübungen des Bajonetfechtens, die zweite vollständige Sicherheit im Schulfechten und den Uebergang zum Contrafechten, die erste endlich übt nur Contrafechten, Der junge Soldat gehört beim Eintritt in die Compagnie selbstverständlich der dritten Klasse an, wird erst in den Freiübungen, in den Gewehrübungen mit beiden Armen und in den leichtesten Rüstübungen unterrichter, und so während seiner Dienstzeit in die höheren Klassen übergeführt, wo die angewandte Gymnastik getrieben wird. Ein Beispiel von solcher angewandten Gymnastik ist hier in dem Bilde eines Musketiers von 7. Brandenburgischen Infanterie-Regiments Nr. 60. zu sehen. Als nämlich im Juli 1866 die Oesterreicher nahe bei Nicolsburg die Brücke über den Thayafluß abgebrochen hatten, besannen die sich als Tiralleurs vorgehenden Sechziger Musketiere nicht lange, zogen sich bis aud das Hemde aus -- weil nackt auf Griechisch gymnos heißt, -- banden sich mit Schnupftücher das Seitengewehr über das Hemde, nahmen die beiden Patrontaschen zwischen die Zähne, wickelten den dazugehörigen Gürtel um den Hals und gingen mit einer Contrafechthaltung des Gewehrs in das Wasser, von dem sie doch nicht wußten, wie tief es war. Alles angewandte Gymnastik! erstens das sichere Gehen auf dem unsicheren steinigen oder sumpfigen Boden, - zweiten der Widerstand gegen den Druck des stark strömenden Wassers, -- drittens das Tragen eines ganz ansehnlichen Gewichtes zwischen den Zähnen, -- viertens die Bereitschaft zum Kampfe.