Holthorster Weg in Platjenwerbe
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Da in den Adreßbüchern von 1965 und 1969 nicht ersichtlich ist, wer der Eigentümer des Hauses ist, werden alle Personen alphabetisch aufgeführt.
Die Daten zu dem Jahr 1998 entstammen dem Telephonbuch. Hier kann es sein, daß die Person, die dort eingetragen ist, schon verstorben ist, aber der Anschluß nicht umgemeldet wurde. Die Erfassung des Jahres 1998 ist noch nicht abgeschlossen.
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Haus Nr.59 (Thiele GmbH & Co., Wessels, Greune, Westerkamp, Cantacuzene, Müller-Pearse)
- 1908: Kaufvertrag vom 22. Mai 1908 über das Grundstück zwischen dem Bremer Baumwollkaufmann Friedrich Heinrich Müller und Johann Siemer von der Hofstelle Platjenwerbe Nr. 14
- 1917: Müller-Pearse, Franzis, Ehefrau, * 5. April 1872 meldet sich an in Platjenwerbe am 9. März 1917, aus G. Moor Nr. 50 kommend. Die Abmeldung erfolgt am 14. August 1917.
- 1918: Müller-Pearse, Heinrich, Kaufmann, meldet sich ab aus Platjenwerbe am 3. August 1918, zukünftiger Wohnort ist Bremen.
- 1923/24: Müller-Pearse, Sophie, * 9 Mai 1906 in Bremen, meldet sich am 13. April 1923 nach Mulchow in Mecklenburg und am 28. Mai 1924 als Haustochter nach München ab.
- 1928: Müller-Pearse, Heinrich, Kaufmann (Haus Nr. 59)
- 1945: aus einer Korrespondenz mit dem Kunstmaler Karl Gatermann d. Ä. (Wikipedia): im Haus Buchenhof wohnen 30 Personen, darunter 23 Ausgebombte und Flüchtlinge.
- Familiengrabstelle auf dem Friedhof Bremen-Riensberg
- 1956: Lorenz, Friedrich, Dr. med. (*21.12.1907 †27.07.1997), übernimmt am 1. Oktober 1956 die Praxis von dem kurz vorher verstorbenen Dr. Schreuder (Quelle: Sohn Dieter Lorenz, Unterhaching, im März 2010)
Weitere Details unter "Ergänzende Angaben" am Ende der Seite.
- 1965: Cantacuzene, Wolfgang, kaufmännischer Angestellter, Grell, Hans-Georg, Ingenieur, Janßen, Hans-Georg, Vertreter, Verlagsangestellter, Kaftan, Werner, Hausmeister, Lampe, Henny, Hausfrau, Spiegel, Karl, Rentner
- 1969: Greune, Karl-Heinrich, Dozent (Wikipedia), Henze, Hans-Jürgen, Polizeibeamter, Lang, Walter, Dr.med., Arzt, Spiegel, Karl, Westerkamp, Karl-Jobst, Dr., Arzt
- 1998: Greune, Karl H., Prof., Rehling, Franz, Stud.-Rat, Stuber, Franz, Dipl.oec.
- 2000: wird das gesamte Objekt versteigert.
- 2001: Wessels, Bernd-Artin, Generalkonsulat von Ecuador. In Zusammenarbeit mit dem Amt für Denkmalschutz in Osterholz-Scharmbeck werden umfangreiche Restaurierungsarbeiten durchgeführt, in dem Bemühen, den Originalzustand so weit wie mögich wieder herzustellen.
- 2019: steht das Haus erneut zum Verkauf im Internet.
- 2022: zum 1. Januar hat die Villa Buchenhof einen neuen Eigentümer - mit Platjenwerber Wurzeln aus einer der Familien Hashagen.
Informationen zum dazugehörigen Hofmeierhaus finden sich unter der St. Magnus-Straße
Kaufvertrag vom 22. Mai 1908 zwischen Johann Siemer und Friedrich Heinrich Müller (Pearse)
Königliches Amtsgericht. Lesum, 22 Mai 1908
Gegenwärtig:
Gerichtsassessor Rodewald
Es erschien
Der Gemeindevorsteher Seegelken aus Lesum für
1) Den Stellbesitzer Johann Siemer aus Platjenwerbe
2) Kaufmann Friedrich Heinrich Müller in Bremen
Derselbe ist dem Richter bekannt.
Er überreichte anliegenden Vertrag vom 17.5.08. mit der Bitte um gerichtliche Beurkundung.
Der Vertrag nebst Nachtrag wurde dem Erschienenen vorgelesen, worauf er erklärte:
Diesen Vertrag haben meine Auftraggeber abgeschlossen. Ich wiederhole und genehmige den Inhalt desselben in allen Punkten!
Der Gesamt-Werth des Gegenstandes beträgt 16000 M.
Die Kosten bitte ich von mir einzuziehen.
Vorgelesen, genehmigt
und eigenhändig unterschrieben
gez. Seegelken
Beglaubigt.
Gez. Rodewald
Zwischen dem Stellbesitzer Johann Siemer in Platjenwerbe
als Verkäufer
und
dem Kaufmann Heinrich Friedrich Müller in Bremen
als Käufer,
ist folgender Kaufvertrag vereinbart.
§ 1.
Der Stellbesitzer Johann Siemer in Platjenwerbe
Verkauft hierdurch dem Kaufmann Heinrich Friedrich Müller in Bremen von der dem ersteren gehörigen zu Platjenwerbe belegenen, im Grundbuch von Platjenwerbe Band I Blatt 14 eingetragenen 1/5 Höfnerstelle das Gartenstück, welches begrenzt ist:
im Osten von Vollers Gehölz. Im Osten von dem Privatfußweg, welcher zwischen dem Ost-Gemüsegarten des Verkäufers, einerseits, und dem Roggenstück desselben, anderseits entlang führt, im Süden von Johann Hashagen Keil und im Westen vom Holthorster Wege und dem Vollerschen Holze für den vereinbarten Kaufpreis von Zwei Mark für den Quadratmeter.
§ 2.
Der Kaufgegenstand geht über auf dem Käufer in dem Zustande, in welchem er sich befindet und wird für eine bestimmte Größe, Güte und Beschaffenheit desselben oder für bestimmte Eigenschaften, insbesondere für die Tauglichkeit zu dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauche seitens des Verkäufers Gewähr nicht geleistet; ebensowenig haftet der Verkäufer dem Käufer dafür, daß der Kaufgegenstand gegenwärtig oder bei der Uebergabe nicht mit Fehlern oder Mängeln behaftet ist.
Dagegen ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer den Kaufgegenstand frei von solchen Rechten und Ansprüchen Dritter zu verschaffen, deren Bestehen in diesem Vertrage nicht erwähnt ist, und verspricht der Verkäufer, dem Käufer dieserhalb zu vertreten und schadlos zu halten.
§ 3.
Der Kaufgegenstand soll dem Käufer am 1. Oktober 1908 zum Besitze übergeben und die Auflassung am gleichen Tage vor dem Königlichen Amtsgerichte Lesum erklärt werden.
Die mit dem Kaufgegenstande verbundenen Rechte und Nutzungen, ebenso die Gefahr des Kaufgegenstandes und die darauf haftenden oder damit verbundenen öffentlichen Lasten und Abgaben gehen für die Zeit vom Auflassungstage an auf den Käufer über. Käufer soll aber berechtigt sein, das Grundstück sofort nach der Aberntung in Nutzung zu nehmen.
§ 4.
Der Kaufpreis wird bei der Auflassung bar bezahlt.
§ 5.
Hinsichtlich der Grenzen und nachbarlichen Verhältnisse unterwirft sich der Käufer dem in Platjenwerbe geltenden Herkommen und den Bestimmungen des dortigen Teillungs- und Verkoppelungs-Rezesses.
§ 6.
Die Kosten der Beurkundung des Kaufes, der Auflassung und der Eintragungen, sowie die zu entrichtende Grunderwerbsabgabe trägt der Käufer, ebenso die Umsatzsteuer und die Wertzuwachssteuer.
§ 7.
Der Käufer erteilt hiermit dem Gemeindevorsteher Louis Seegelken in Lesum Auftrag und unwiderrufliche Vollmacht, den vorstehend vereinbarten Kaufvertrag über das im § 1 bezeichneten Grundstück für gerichtlichem oder notariellem Protokoll zu erklären, oder den Vertrag dem Inhalte nach zu bestätigen und anzuerkennen, die gleiche Vollmacht erteilt der Verkäufer an Seegelken.
Platjenwerbe, 17. Mai 1908
gez.: Joh. Siemer
gez.: Heinrich Müller
Nachtrag:
1.) Herr Siemer sichert Herrn Müller hinsichtlich seines Restgrundstückes das Vorkaufsrecht zu und dergestallt, daß Herr Müller sich nach Aufforderung seitens des Herrn Siemer innerhalb dem Tage erklären muß, ob er von dem Vorkaufsrechte Gebrauch machen will oder nicht.
2.) Herr Siemer verpflichtet sich für sicher seinen Rechtsnachfolger im Besitz seiner Stelle zwischen der verkauften Besitzung und dem Siemerschen Hause & zwar in der ganzen Lage des Grundstückes keine Dünger & Composthaufen zu lagern, auch keine Schießstellungen zu errichten.
3.) Herr Müller darf Bäume und Anpflanzungen innerhalb 3 Meter von der Grenze nicht über drei Meter wachsen lassen, auch darf keine lebende Hecke in die gemeinschaftliche Grenze gesetzt werden.
4.) Die an Seegelken erteilte Vollmacht gilt auch für die Verlautbarung dieses Nachtrages.
Platjenwerbe, 17. Mai 1908
gez.: Joh. Siemer
gez.: H. Müller
Herrn
Joh. Siemer
in Platjenwerbe
"Villa Buchenhof - Müller-Pearse"
Ein Hauch hanseatischen Kaufmannsgeistes berührte auch den westlichen Teil (Anm. neben Landgut "Kin Ching" im östlichen Teil) Platjenwerbes. Zwischen Holthorster Weg und St.-Magnus-Straße hatte 1910 der Bremer Kaufmann Müller-Pearse von Johann Siemer und Johann Hashagen, beide aus Platjenwerbe, und C. Voller aus Holthorst 10 Morgen Ackerland und Wald erworben und dieses Land in einen weiträumigen Park mit einer herrschaftlichen Villa umgewandelt. Müller-Pearse unterhielt mit dem Bremer Kaufmann Albrecht, der sich in Leuchtenburg ein Domizil geschaffen hatte (Herrenhaus Leuchtenburg - zwischenzeitlich Lufthansa-Schule, jetzt Gastronomie), zusammen einen weltweiten Handel mit Baumwolle (Albrecht, Müller-Pearse). Dem gesellschaftlichen Rahmen dieses Hauses entsprechend,verkehrten hier, vom eigentlichen Dorf gar nicht wahrgenommen, die Spitzen der einst so reichen Hansestadt. Auch Rudolf Alexander Schröder und der Maler Heinrich Vogeler waren gern gesehene Gäste.
Der dann angrenzende Buchenwald wurde 2012 komplett abgeholzt, ein Teil der alten Buchen war erkrankt. Eine Aufforstung des Grundstückes (5.000 Buchen waren vorgeschlagen worden) ist erforderlich. 2013 wird das ehemalige Waldstück verkauft.
Aus zwei Zeitungsartikeln in den Bremer Nachrichten vom 16. Februar 2001: "Ein Haus mit reichem Innenleben" und 14. April 2001: "Es war eine herrschaftliche Idylle" von Redakteur Manfred Wurthmann
"Ein Haus mit reichem Innenleben"
Handelskammer-Vizepräses Bernd-Artin Wessels lässt Villa im alten Stil sanieren
"Ein Glücksfall für die Denkmalsbehörde, wenn ein Bauherr die gleichen Ziele verfolgt wie wir", urteilt der Denkmalschützer Jörg Fanelli. Er freut sich über die Schützenhilfe: Bernd-Artin Wessels, Vizepräses der Handelskammer, hat eine alte Kaufmannsvilla in Leuchtenburg (Anm. Platjenwerbe) erworben. Jetzt wird das Haus originalgetreu wieder hergerichtet.
Es ist ein wahres Schatzkästchen. Auf einer Wohnfläche von 600 Quadratmetern und auf zwei Etagen findet sich am Holthorster Weg in Leuchtenburg (Anm. Platjenwerbe), ein paar Meter hinter der Landesgrenze, eine Fülle kunsthistorisch und innenarchitektonisch interessanter Details. Sie lassen sich allerdings keiner klaren Stilepoche zuordnen. Das Gesamtkunstwerk bewegt sich zwischen Spätromatik, Historismus und Jugendstil.
Üppige Schnitzereien an den Treppenaufgängen, farbenfrohe Bleiglaseinsätze in den Fenstern, Stuckornamente an den Decken, immer wieder kleinere oder größere Gemälde auf dem Putz, alte Kacheln - das Haus hat die Atmosphäre aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende ins dritte Jahrtausend transportiert. Viele prächtige Details sind gut erhalten, vieles ist allerdings noch zu tun.
Der Baumwollfabrikant Heinrich Müller-Pearse ließ das Haus 1908 bauen und wohnte dort mit seiner Ehefrau, der begabten Pianistin Frances Pearse. Das Paar schuf in seinen Räumen einen Kristallisationspunkt kulturellen Lebens: Zu den regelmäßigen Gästen am Holthorster Weg gehörten unter anderen Heinrich Vogeler und der Bremer Schriftsteller und Architekt Rudolf Alexander Schröder. Die Bewohner des Hauses unterhielten rege Kontakte zur Bremer und Worpsweder Kunstszene.
Auch Heinrich Vogeler hat sich einst in dem Bauwerk verewigt. Für die dritte Deutsche Kunstgewerbeschau schuf er ein "Zimmer für eine junge Frau", das anschließend im Holthorster Weg eingerichtet wurde. Heute befinden sich das Ensemble im Focke-Museum.
Im vergangenen Jahr hat Bernd-Artin Wessels die Villa gekauft. Der neue Besitzer traf sich jetzt mit dem Restaurator, vertretern der Baubehörde aus dem Landkreis Osterholz und von der Lüneburger Bezirksregierung, der Architektin und dem Bauunternehmer, um ein Sanierungskonzept auf den Weg zu bringen. Eins steht fest: Es wird ein teures Projekt. Auf 1,8 Millionen Mark schätzt Bauunternehmer Herbert Helmers die Kosten allein für die Innensanierung.
In langwieriger Arbeit muss beispielsweise die weiße Dispersionsfarbe von den Wänden entfernt werden. Darunter befinden sich per Schablone aufgetragene Blumenbuketts, vermutlich von Rudolf Alexander Schröder entworfen. Bei den Vorbesitzern haben sich die Restauratoren Birgit und Paul-Uwe Dietzsch zahlreiche Fotos vom Innenleben des Hauses in seinen Anfangsjahren besorgt. Anhand dieser Dokumente will Bernd-Artin Wessels wieder den ursprünglichen Zustand herstellen. Dazu gehören beispielsweise auch Seiden- und Velourstapeten an den Wänden einzelner Räume.
Nicht nur das Innenleben der Villa beeindruckt - sie liegt in einem 30 000 Quadratmeter großen Park mit altem Baumbestand. An der Grenze zum Nachbargrundstück gibt es weder Zäune noch Mauern. Wessels hat sich mit seinem Freund und Nachbarn sogar ganz offiziell vertraglich geeinigt: Der Park soll als gemeinsame Freifläche erhalten werden.
Weitgehend wieder hergestellt ist inzwischen ein kleiner Rundbau neben der Villa. Das Brunnenhäuschen sicherte einst die Wasserversorgung. Fenster und Türen sind im alten Stil hergerichtet, nun wird noch ein patiniertes Zinkdach aufgesetzt.
Ob der Bremer Unternehmer das Haus nach Abschluss der Sanierung - vermutlich im September - selbst bewohnt, steht noch nicht fest. Klar ist dagegen, dass Wessels, der auch Generalkonsul Ecuadors für Bremen und Niedersachsen ist, im Holthorster Weg sein niedersächsisches Konsulat einrichten wird.
"Es war eine herrschaftliche Idylle"
Platjenwerber erinnert sich an die Kindheit auf dem Buchenhof / Villa saniert
"Er war ein nobler Mensch, großzügig und sozial eingestellt", sagt der Platjenwerber Hans-Heinrich von Hollen. Die Rede ist von Heinrich Müller-Pearse. Der im wahrsten Wortsinn gutbetuchte Baumwollkaufmann prägte das Leben in der kleinen Ortschaft gleich hinter der Landesgrenze jahrzehntelang, er starb 1947 in Platjenwerbe.
Seine herrschaftliche Villa hat Bernd-Artin Wessels erworben, Vizepräses der Handelskammer. Er lässt sie gerade originalgetreu wiederherstellen. Nach Abschluss dieser Arbeiten wird Hans-Heinrich von Hollen sich vermutlich die Augen reiben. Er hat seine Kindheit auf dem Anwesen von Müller-Pearse verbracht.
"Mein Vater war Chaffeur bei Heinrich Müller-Pearse", erzählt der ehemalige Bankkaufmann. Seit seiner Geburt im Jahre 1929 und bis 1960 bewohnte Hans-Heinrich von Hollen mit seiner Familie das sogenannte Hofmeierhaus auf dem Buchenhof - so hatte der Besitzer das Anwesen im Holthorster Weg benannt. Von Hollen erlebte dort eine idyllische Kindheit. Er erinnert sich an das herrschaftliche Leben der Familie Müller-Pearse. Heinrich und seine Frau Frances - eine begabte Pianistin und Tochter eines englischen Wertbesitzers - lebten zurückgezogen, aber kultiviert in ihrer Villa. Nachdem der Kaufmann das Grundstück 1910 gekauft hatte und das prächtige Gebäude bauen ließ, entwickelte er es zu einem Kristalisationspunkt des kulturellen Lebens in Bremen. Zu den Stammgästen der Familie Müller-Pearse gehörten unter anderem Heinrich Vogeler und der Schiftsteller und Architekt Rudolf Alexander Schröder. Vogeler gestaltete im Haus seines Gastgebers ein "Zimmer für eine junge Frau" - es kann heute im Focke-Museum [1] bewundert werden.
Zurück zu der Chauffeurs-Familie: "Der Park gehörte uns, wir sind durch die Villa getobt, auf dem Tennisplatz der Familie haben wir Bälle geklaut", erinnert sich Hans-Heinrich von Hollen an seine Kinderstreiche. Der Besitzer trug diese Diebstähle offenbar mit Gelassenheit: "Wenn wir ihn trafen, drückte er uns fünf Mark in die Hand", sagt von Hollen.
Immer wieder lobt er das soziale Engagement des Kaufmanns. Der gründete eine kulturelle Stiftung, unterstützte die Gemeinde Platjenwerbe mit viel Geld, war großzügig zu seinen Angestellten. "Müller-Pearse fühlte sich für seine Umgebung verantwortlich und hatte die Mittel, sie zu fördern", erklärt Hans-Heinrich von Hollen. Dabei wollte Müller-Pearse aber im Verborgenen wirken und lehnte es ab, als Spender namentlich in Erscheinung zu treten. Er sei der personifizierte "königliche Kaufmann" gewesen - so charakterisiert von Hollen den Arbeitgeber seines Vaters. Noch heute erinnert ein Handelshaus in der Bremer Baumwollbörse an den Gründer dieses Unternehmens.
Auf dem Buchenhof fanden sich alle Zutaten, die zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts zu einem Leben im Wohlstand gehörten: unter anderem Garagen, Pferdeställe, eine Sattelkammer. Hans-Heinrich von Hollen erinnert sich auch an die standesgemäße Hausdame der Familie, ein gewisses Fräulein Lampe.
Bei den Festen im Hause gastierte die Créme der Bremer Gesellschaft in Platjenwerbe - Frances Müller-Pearse gab dazu Konzerte am Flügel. In den ersten Jahren verbrachte die Familie nur den Sommer auf ihrem Buchenhof und blieb während des Winters in ihrer Bremer Stadtwohnung. Irgendwann zog die Kaufmannsfamilie dann aber komplett nach Platjenwerbe um. Während des NS-Regimes setzte die Familie ihr gewohntes Leben fort. "Sie sind bei den Nationalsozialisten nicht angeeckt, aber auch nicht eingestiegen", erklärt Hans-Heinrich von Hollen. NS-Politprominenz habe sich auf dem Buchenhof jedenfalls nicht blicken lassen. Nach dem Tod des Baumwollkaufmanns lebte seine Familie zunächst weiter auf dem Buchenhof. Später wurde das hochherrschaftliche Haus in immer noch reichlich große Wohnungen aufgeteilt und vermietet. Unter anderem praktizierte der erste Arzt der Gemeinde Platjenwerbe in dem Gebäude.
Auch ein Künstler wohnte dort vorübergehend. Eine Erbengemeinschaft ließ das Anwesen im vergangenen Jahr versteigern, nachdem sie sich über ihren Besitz nicht einig war. Der neue Besitzer hat mit seinem Engagement auf dem Buchenhof ein Millionenprojekt begonnen.Nach Abschluss der Arbeiten soll das Haus wieder genauso aussehen wie zu Zeiten von Heinrich Müller-Pearse, Heinrich Vogeler und Rudolf Alexander Schröder, erklärte Bernd-Artin Wessels.
Das Zimmer einer jungen Frau
Das Zimmer einer jungen Frau, das Heinrich Vogeler 1906 für die dritte Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden entwarf, gehört heute zu den Prunkstücken des Hauses Riensberg, das Bestandteil des Ensembles des Bremer Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte ist. Es wirkt gerade so, als ließe der Frühling sein blaues Band durch dieses lichte Jungmädchen-Zimmer flattern. Auf dem gesamten cremefarbenen Schleiflack-Interieur blühen von goldenen Blättern umrankte Rosen fröhlich vor sich in, die Vogeler ungemein plastisch gestaltet hat. In zarten Rosé-Tönen leuchtet auch die mit Blütenköpfen übersäte Tapete. Wie der grüne Teppich, auf dem sich Rosen ranken, auch ein Entwurf Vogelers, der für das Jungmädchen-Zimmer rekonstruiert wurde. Der Teppich wurde 1983 nach einem im Worpsweder Archiv verwahrten Entwurf des Jungendstilünstlers gewebt. Die Jahre um das Fin de Siècle waren für Heinrich Vogeler noch die Zeit der Rosen.
Unmittelbar vor dem Zimmer einer jungen Frau entwarf er für das Bremer Rathaus die Güldenkammer. "Dieses Gesamtkunstwerk gilt bis heute als ein Musterbeispiel für die Innenarchitektur des Jungendstils. Auch wenn eigentlich Anregungen aus der italienischen Renaissance und dem Louisseize dominieren", betont Uta Bernsmeier, Kuratorin des Focke-Museums. 1942, vor siebzig Jahren, endete das Leben des einst so erfolgreichen Jugendstilkünstlers, der seit dem I. Weltkrieg bekennender Sozialrevolutionär war, in der kasachischen Verbannung. Vor 140 Jahren wurde Heinrich Vogeler geboren, das Doppeljubiläum ist für die Museen in Worpswede und Bremen Anlass, in einer Kooperation den Künstler, Träumer und Visionär in den Ausstellungs-Fokus zu stellen.
Seine heutige Form erhielt das Jungmädchen-Zimmer allerdings erst nach dem Ende der Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden. Der Kaufmann Heinrich Müller-Pearse, ein Jugendfreund Vogelers, erwarb es und ließ es in seinem Haus in St. Magnus einbauen. Der Jungendstilkünstler ließ das Ensemble mit Nachttisch, Waschkommode, Bett und Eckschrank komplettieren. In die Wandvertäfelung sind 23 graphische Blätter von Vogeler eingelassen, auf denen der Frühling in all seiner Pracht als Thema mit Variationen dargestellt wird. Das Zimmer einer jungen Frau, ein "Frühlingsmärchen", ganz so wie es die Radierung, die über dem Sekretär hängt, verheißt.
(Text von Sigrid Schuer, Foto Jürgen Nogai, Bremer museumszeit, Focke-Museum, 2012)
Arztpraxen im "Buchenhof"
Dr. med. Albert Schreuder
war der erste Arzt, der in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg im Erdgeschoss der Villa "Müller-Pearse" mit seiner Familie gewohnt hat und dort auch seine Praxisräume mit Zugang von der Südterrasse der Villa gehabt hat.
Dr. med. Schreuder war rauhbeinig-jovial, lebenserfahren und lebensbejahend. So wird er jedenfalls beschrieben. Er soll ein ausgezeichneter Diagnostiker gewesen sein. Er kannte nicht nur die Krankengeschichte seiner Patienten. Er kannte auch deren Alltagssorgen und -nöte. Er half auch dort, wenn er es konnte.
Dr. Schreuder war am 16. März 1951 für sechs Jahre vom Kreistag Osterholz als Vertreter der "Freien Berufe" in den Steuerausschuss beim Finanzamt Osterholz-Scharmbeck gewählt worden (Seite 60 des vom Landkreis Osterholz herausgegebenen Berichts "Kreistag und Verwaltung des Landkreises Osterholz im Rechnungsjahr 1950"). Die Mitglieder des Steuerausschusses wurden vom kommunalen Kreistag gewählt. Der Ausschuss war aber dem staatlichen Finanzamt zugeordnet. Ein Bundesgesetz vom September 1950 hatte diesen im Dritten Reich beseitigten Ausschuss wieder vorgeschrieben.
Als Vertreter der Ärztekammer war Dr. Schreuder am 25. Mai 1950 vom Kreistag Osterholz zum stellv. Mitglied des Kreditausschusses für Arbeitsbeschaffungsprogramme gewählt worden (Kredite für Flüchtlinge, die im Handwerk, in gewerblichen Kleinbetrieben und in freien Berufen tätig waren; Seite 39 a. a. O.).
Dr. Schreuder war den Platjenwerbern auch als gewandter Reiter bekannt. Für seine Ausritte im demobilisierten, abgetragenen Soldatenrock lieh sich der ehemalige Sanitätsoffizier von dem Landwirt Christian Wolf, alte Hofstelle Platjenwerbe Nr.15 in der St.-Magnus-Straße, das Pferd.
Herr Dr. med. Albert Harm Schreuder starb Ende August 1956 im 68. Lebensjahr und hinterließ die Ehefrau Marie Luise, geb. Gaedcke und die drei Töchter Ingeborg (verh. mit Studienrat Walter Engesser), Renate (verh. mit Major Hans Beyschlag) und Helga (Ärztin). Am 1. September 1956 wurde er auf dem Friedhof in Lesum zur letzten Ruhe geleitet.
Auszug aus einem Bericht von Jürgen Lodemann
Dr. med. Friedrich Lorenz
war der zweite Arzt, der mit seiner Familie im Erdgeschoss der Villa "Müller-Pearse" gewohnt hat. Er war Sachse, geb. am 21.12.1907 in Krebes im Vogtland. Schon sein Zungenschlag verriet, dass er nicht im plattdeutschen Sprachraum aufgewachsen war. Kriegs- und Nachkriegswirren hatten die Familie zunächst nach Balje in Kehdingen, Landkreis Stade, verschlagen. Dr. Lorenz, der während des Krieges als Sanitätsoffizier dienen musste, war in Balje als Landarzt tätig gewesen. Wer allerdings in Balje wohnte und seine Kinder auf eine höhere Schule schicken wollte, der hatte sich damals in ganz anderer Form mit der Schulwegfrage auseinander zu setzen als Eltern heute. Mangelhafte Verkehrsanbindung und die daraus folgenden unzumutbar langen Fahrzeiten zwangen dazu, zumindest jüngere Kinder während der Schulwochen z. B. in Stade bei Freunden, bekannten oder in Pension wohnen zu lassen.
Für den Sohn von Dr. Lorenz, Jahrgang 1941, ist die Zeit im Stader Pensionat bleibende und gelegentlich durchaus auch amüsiert erzählte Erinnerung geworden. Der Sohn und die älteste Tochter haben später ihr Abitur an Bremen-Vegesacker Gymnasien bestanden. Die zweite Tochter hat die Schule trotz des Umzugs nach Platjenwerbe noch in Stade abgeschlossen.
Dr. med. Lorenz hat die Praxis des verstorbenen Dr. med. Albert Schreuder zum 1. Oktober 1956 übernommen. Wohn- und Praxisanschrift war "Platjenwerbe, Holthorster Weg 1".
Praktischer Arzt, heute heißt es Arzt für Allgemeinmedizin, im Jahr 1956, das hieß Sprechstunden und Hausbesuche über Land und Erreichbarkeit fast rund um die Uhr. Der ärztliche Bereitschafts-Notdienst war 1956 noch nicht so straff durchorganisiert wie das heute der Fall ist.
Dr. Lorenz fuhr mit einem PKW über Land. Er besaß aber auch ein leichteres Motorrad. Er betreute Patienten z. B. in den heute Ritterhuder Ortsteilen, die bis zum 28. Oktober 1974 noch selbstständige Gemeinden waren, nämlich Osterhagen-Ihlpohl, Platjenwerbe und Stendorf. Er hatte aber auch im heute Schwaneweder Leuchtenburg und stark im angrenzenden Bremen-St. Magnus -und -Lesum Kranke zu besuchen und zu versorgen.
Dieser große geografische Raum war damals noch nicht so dicht wie heute besiedelt. Reges Bauen hatte aber besonders schon Bremen-Lesum nördlich der Umgehungsstraße (A270), Platjenwerbe und Ihlpohl verändert. Im niedersächsischen Gebietsteil gab es aber noch viele Kopfsteinpflasterstraßen und Wege, die mit Bauschutt, Schotter und Bruchfliesen von der Norddeutschen Steingutfabrik in Bremen-Grohn befahrbar gehalten wurden. Dr. Lorenz fuhr ohne Navigationsgerät. Dieses Hilfsmittel gab es damals noch nicht. Man kannte nicht einmal das Wort.
Im Frühjahr 1960 verlegte Dr. med. Lorenz Wohnung und Praxis in das von ihm neu erbaute Haus Am Brahmhof 24. Das war sicherlich von großem Vorteil. Das Erdgeschoss der Villa "Müller-Pearse" war funktional nicht für eine Arztwohnung und Arztpraxis gedacht, sondern mehr auf das Repräsentationsbedürfnis eines Bremer Großkaufmanns in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg zugeschnitten. Die Patienten mussten über den unbefestigten Holthorster Weg kommen oder den kleinen, heute fast zugewachsenen Pfad zwischen den Grundstücken Wolf und Siemer von der St.-Magnus-Straße nutzen.
Dr. med. Friedrich Lorenz hat bis in sein hohes Alter hinein in der Sprechstunde und ambulant kranke Mitmenschen betreut. Er starb am 27.07.1995 und wurde in seinem Heimatdorf in Krebes im Vogtland beigesetzt.
Auszug aus einem Bericht von Jürgen Lodemann