Herforder Chronik (1910)/333

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Herforder Chronik (1910)
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bestätigt und auf Odenhausen (Radewig) ausgedehnt hatte, war mit diesen Handlungen ein Entwicklungsschritt zur bürgerlichen Gemeinschaft vollzogen. Wann aber der Übergang von einem Wikbolde (oppidum) zu einer Stadt (civitas) stattgefunden hat, ist nicht überliefert. Es muß aber vor 1191 geschehen sein, denn aus diesem Jahre ist urkundlich ein magister civium namens Lutbrandus bekannt.

Im alten Stadtrecht erfahren wir nichts über das Vorhandensein eines Gemeindevorstehers, eines Bürgermeisters, es ist lediglich von Ratleuten die Rede. Das ist aus der Stellung der Äbtissin zur Stadt erklärlich, da sie ja die Oberherrin war, ohne deren Willen nicht viel geschehen konnte. Schon aus der Wahl von Ratleuten und mehr noch aus der später erfolgten Bestellung eines Ratsvorstehers, eines Bürgermeisters, erkennen wir die ersten Schritte der jungen Gemeinde auf dem Wege zu größerer Selbständigkeit.

Die Leitung der städtischen Angelegenheiten hatte der Rat (consules) und die Schöffen (scabini) in Händen unter Vorsitz des Bürgermeisters (proconsul). Diese Körperschaft der Stadtverwaltung führte den Titel „Bürgermeister, Schöffen und Rat“ und nannte sich in Urkunden „Nos Proconsul, consules et scabini“.

Die Bürger sollten, so bestimmte das alte Stadtrecht, ohne Gebot und Willen der Äbtissin, der Herrin des Ortes, Ratleute aus ihrer Mitte nicht setzen. Das ist so zu verstehen, daß die Ratleute zwar aus der Wahl der Bürger hervorgingen, die Äbtissin aber sich ein Einspruchs- und Bestätigungsrecht vorbehielt. Ähnlich hat sie es sicherlich bei der Wahl des Obmannes der Ratleute, des Bürgermeisters, gehalten. Über dessen amtliche Verpflichtungen im einzelnen wissen wir nichts, ebensowenig über seine Stellung den Ratleuten gegenüber. Nehmen wir an, er sei mit Zustimmung der Äbtissin aus der Reihe der Ratleute hervorgegangen, so mag er ihnen gegenüber immer nur die Stellung eines Ersten unter seinesgleichen eingenommen haben. Die Oberherrin blieb allemal die Äbtissin.

Ob Herford zu der Zeit, als es einen Rat und später einen Bürgermeister erhielt, als Wahrzeichen der vorgeschrittenen Selbständigkeit schon ein Rathaus gehabt hat, ist nicht bekannt; wenn aber ein solches vorhanden gewesen ist, dann war es sicherlich kein Monumentalbau wie das 1874 niedergelegte.

Doch ist uns ein anderes Zeichen von dem Bewußtsein der erhöhten Bedeutung der Stadt im öffentlichen Leben überliefert, das Stadtsiegel. Als Zeit, in welcher die Stadtgemeinden anfangen, ein Siegel zu führen, wird das 13. Jahrhundert angenommen, und so sind auch unsere ältesten Stadtsiegel aus eben dieser Zeit. In die Augen fallend ist bei unseren Herforder Stadtsiegeln das Hervortreten der mit Zinnen gekrönten Stadtmauern, Tore und Tortürme, was als eine Äußerung berechtigten Stolzes auf die wohlbewehrte Vaterstadt aufzufassen ist. [1]

  1. Siehe die Abbildungen am Schlusse der Kapitel Altstadt und Neustadt und die Bilder des Rechtsbuches im Anhang.