Herforder Chronik (1910)/269
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Besitzung auf der Freiheit, zu ihrer Wohnung bestimmt, wo sich nun der größte Teil von ihnen niederließ, um dort nach dem Vorbilde der ersten Christengemeinde in Jerusalem „täglich und stets beieinander einmütig“ zu sein.
Was hatte die Äbtissin bewogen, ihre helfende Hand den Bedrängten so schnell und so entschieden entgegenzustrecken?
Wenn wir von ihrem gegenüber allem Elend mitleidvollen Herzen, im besonderen von ihrer Teilnahme an dem Geschick der verjagten Gesinnungsgenossen und ihrer Freundschaft für Anna Maria von Schurmann absehen, so war wohl einerseits der Wunsch, den ihr als gottbegnadeten Mann geschilderten Labadie kennen zu lernen, anderseits die Hoffnung, durch ihn für ihr Seelenheil Förderung zu erfahren, für ihren Entschluß maßgebend gewesen.
Mit bedenklichen Mienen verfolgten die lutherischen Herforder diesen Schritt der Äbtissin. War ihnen schon in jener Zeit der heftigsten, auch von den Kanzeln herab geführten Fehden zwischen Lutheranern und Reformierten ein Anwachsen der hiesigen reformierten Gemeinde, an deren Spitze der abteiliche Hof stand, unbequem, so stieg ihr Widerstreben, als mit den Fremden auch die üblen Gerüchte über sie ihren Einzug hielten.
Damit war aber der Grund zu einem bald ausbrechenden Kampfe gelegt. Die ganze lutherische Stadt mit Rat und Geistlichkeit an der Spitze konnte die Mißstimmung gegen die „Holländer“ nicht überwinden, welche man als eine Sekte der Quäker, ja der Wiedertäufer verschrie. Hierzu trug auch die Besorgnis bei, - und vielleicht war sie ausschlaggebend, - es möchten die als geschickte Handwerker bekannten Fremden die Eingesessenen um die bislang durch das Stift erhaltene Nahrung bringen. Der Rat nahm sich der besorgten Bürger an, indem er bei der Äbtissin gegen die dauernde Niederlassung der „Auserwählten“ Einspruch erhob. Als die hohe Frau jede Einmischung zurückwies und ihrem Versprechen, das sie den Labadisten gegeben, treu bleiben wollte, beklagte sich der Rat beim Landesherrn, dem Kurfürsten. Dasselbe tat nun auch die Äbtissin; sie suchte die verleumderisch Angegriffenen zu rechtfertigen und hob - womit sie des Kurfürsten Gunst zu gewinnen hoffte - hervor, daß diese Holländer als Kolonisten auf den unbebaut liegenden Stellen der abteilichen Besitzungen ein angenehmer Zuwachs wären.
Der freundwillige Vetter nahm eine abwartende Stellung ein; er ließ zwar den guten Absichten Elisabeths volle Anerkennung widerfahren, empfahl aber doch, den Wandel der Sektierer wachsam zu beobachten, da mancherlei Stimmen gegen sie laut würden. Dem Rate gegenüber führte er eine andere Sprache; unter Androhung seiner Ungnade befahl er, jedes schädigende Vorgehen gegen die Labadisten zu unterdrücken.
Die Ruhe wollte nicht wiederkehren.
Wie die Geistlichen in ihren Predigten mit heftigen Ausdrücken vor den Holländern warnten, so untersagte der Rat den Bäckern und Brauern, ihnen etwas zu verkaufen, den Bürgern, sie in ihre Häuser einzulassen. So wenig wurde in der gärenden Erregung das Gebot des Kurfürsten geachtet, daß die