Herforder Chronik (1910)/258

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Herforder Chronik (1910)
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Herforder Chronik 1910.djvu
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daher kommt es, wie Hagedorn sagt, „daß in Herford keine Kirche anzutreffen ist, worin so wenig Bilder und andere äußerliche Sachen von der vorigen Einrichtung zurückgeblieben sind“ wie in der Johanniskirche. Was ihm die Kunstliebhaber am wenigsten verzeihen werden, ist die Fortschaffung jenes großen Bildwerkes, welches den Heiland am Kreuz, zu seinen Seiten die gekreuzigten Schacher und vor dem Kreuz drei anbetend trauernde Gestalten darstellte. Vor dem Chor hatte das mächtige Bildwerk seinen Stand, und die Blicke der Andächtigen mußten unwillkürlich und unablässig in das verklärte Antlitz des göttlichen Dulders fallen. Noch in seinen Trümmern flößt der Ausdruck der verschiedenen Gesichter Bewunderung ein für den Meister, der das erschuf. Aus der Kirche verwiesen, fand es seinen Platz an der Außenmauer der Kirche nach dem Markte zu, wo es 1747 Hagedorn noch gesehen. Im Jahre 1909 kamen beim Umänderungsbau der Kirche, als ein Altar auf eine andere Stelle gesetzt wurde, die Trümmer der Figuren zum Vorschein; sie waren bei einem der vielen früheren Umbauten als Werkstücke eben dieses Altars vermauert worden. Im städtischen Museum sind die Reste, so gut es ging, zusammengestellt.

Die Radewiger Kirche. Es muß in der Zeit kurz vor der Reformation bei den hierher wallenden Pilgerzügen schlimm hergegangen sein, denn diese, die früher rein religiösen Beweggründen ihren Ursprung verdankten, hatten allmählich zum guten Teil ein ganz anderes Gepräge bekommen. Den Pilgern hatten sich Landstreicher zugesellt, die es an Unfug in den von ihnen durchzogenen Ortschaften nicht fehlen ließen. Wie schon im Kapitel Radewig erzählt ist, litt die Stadt Herford schwer darunter, am meisten die Radewig. Die Bürger, schon längst den Äußerlichkeiten der alten Kirche abgeneigt, wollten vollends von den ausgearteten Pilgerzügen nichts mehr wissen, und die von dem Gesindel verübte Ungebühr führte zu Reibereien mit der Bürgerschaft. Um nun den ferneren Zuzug der unerwünschten Gäste abzuhalten, schloß 1530 der Rat die Jakobikirche. Nach 60 Jahren, als die Pilgerzüge sich verlaufen hatten, also im Jahre 1590, öffnete sie Bürgermeister Brudtlacht wieder, ließ sie zumeist auf seine Kosten neu herrichten und berief den evangelischen Pfarrer Heinrich Bincke (Binchius) als Prediger an die Jakobigcmeinde. Volle Parochialrechte erhielt die Kirche erst im Jahre 1610.

Der Gang der Reformation durch die Herforder Klöster und Kirchen war bisher ein Triumphzug gewesen; ohne nennenswerte Hindernisse zu finden, hatten sich ihr Türen und Herzen geöffnet. Allein vor den Pforten der Münsterkirche wurde ihr der erste Halt geboten. Die Äbtissin Anna von Limburg hing, wie wir wissen, ganz dem Alten an, und ihr erster Prediger am Münster, Hermann Engelking, war ein entschiedener Gegner der neuen Lehre. Beide wehrten mit Anspannung ihrer ganzen Tatkraft den Einzug der reformatorischen