Herforder Chronik (1910)/020
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heftigsten Widerstand hervorrufen, sich jedoch in der Folge als segensreiche Wendepunkte darstellen. Es sei hier nur an drei uns Westfalen betreffende geschichtliche Ereignisse erinnert: an die Kriege Karls des Großen zur Unterwerfung der Sachsen und Einführung des Christentums in ihrem Lande 772—804, an die Bezwingung Herfords durch den Gr. Kurfürsten 1647, und an die Jahre französischer Herrschaft bei uns von 1807—1813. Als damals die Römer lediglich in ihrem eigenen Interesse Militärstraßen und an ihnen feste Plätze anlegten, als sie Ströme und Flüsse überbrückten und selbst die Moore Norddeutschlands durch Bohlenwege überschreitbar machten, wurden sie Lehrmeister der in solchen kriegerischen Dingen noch unerfahrenen Deutschen. Auch sind die in die Hände der letzteren gefallenen römischen Beutestücke sicherlich nicht ohne Einfluß auf germanische Kunstübung geblieben. Die Veredelung heimischer Obstsorten, die Verbesserung der bis dahin einfachen Ackergeräte, und dgl. mehr auf allen Gebieten des germanischen Lebens lassen sich auf römische Einwirkung zurückführen.
Als die Römer ihre Einfälle in die germanischen Urwälder begannen, vermuteten sie, dort ebensolche Barbaren zu finden, wie die, welche Marius 102 u. 101 vernichtet hatte, statt dessen aber lernten sie ein auf einer nicht unansehnlichen wirtschaftlichen Kulturstufe stehendes Volk kennen, dessen hoher schöner Körperwuchs und Kraftfülle sie, die kleinen Italiker, mit Bewunderung erfüllte, wenn ihnen auch deren Fehler, vor allem die deutsche Trunksucht, nicht verborgen blieben. Die Religion und das geistige Leben der Deutschen, die Ordnung ihrer gesellschaftlichen Zustände, ihre Sitten und Gewohnheiten erregten ihre Aufmerksamkeit. So grundverschieden von der ihrigen auch die ihnen auf allen Gebieten des menschlichen Lebens entgegentretende germanische Eigenart war, die sie vernichten wollten, so tiefen Eindruck hinterließ diese den feiner gebildeten Römern. Ihre Schriftsteller verschmähten es nicht, darüber Aufzeichnungen zu machen, und diesen auf uns gekommenen schriftlichen Zeugnissen verdanken wir hauptsächlich die Kunde von dem Leben und der Art unserer Vorväter. Das köstlichste Gut indessen, das die Deutschen unter dem Joch der Fremden davontrugen, war das Erwachen des Nationalgefühls. Um sich der feindlichen Übermacht zu erwehren, schlössen sie Völkerbündnisse, und jetzt, mit der römischen Kampfesweise vertraut, griffen sie den Feind im eigenen Reiche an, das unter den deutschen Streichen in Stücke zerschellte.
Den zurückweichenden Römern waren die Deutschen wie eine Sturmflut gefolgt, hatten die von den Feinden errichteten Grenzwälle durchbrochen, und von ihrem heftigen Anprall ins Wanken gebracht, versank ein Bollwerk der römischen Herrlichkeit nach dem andern. Während aber so die jungkräftigen deutschen Völkerstamme den schon längst morschen Bau des imperium romanum stürzten und auf seinen Trümmern neue Staaten gründeten, beugten sie selbst ihre stolzen Nacken vor einer ihnen auf dem fremden Boden entgegentretenden Macht, - der geistigen Macht des Christentums. Aus der hieraus hervorgehenden Verschmelzung germanischen Wesens mit christlicher Bildung erwuchsen