Herforder Chronik (1910)/018
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Furchtbarkeit er bei seinem fast beständigen Aufenthalt im Freien empfand, schienen ihm freundlich oder feindlich entgegentretende Wesen. Die steigenden und wallenden Nebel, die leise wispernden Blatter des Waldes glaubt er von Windgeistern, den Elfen oder Elben bewegt, und in der Sturmnacht hört er den obersten Windgott Wodan mit seinem gespenstischen Heere daherbrausen. Im Schoß der Berge schaffen als Erdgeister die Zwerge, und im Wasser wohnen die Nixen.
Aus diesem uralten Dämonenglauben erwuchs der Glaube an waltende Gottheiten.
Wodan ist der Allvater, der Sonnen- und Himmelsgott; Frigga als seine Gemahlin gebietet dem Heer der Wolken und sendet als Frau Holle aus ihnen Schnee und Regen auf die Erde herab; Donar, der Donnergott, schwingt seinen Hammer, mit dem er Blitz und Donner hervorruft. Es würde zu weit führen, hier die Schar der übrigen Gottheiten aufzuführen, die man in heiligen Hainen anbetete, denen man Tier- und Menschenopfer darbrachte, um sie günstig zu stimmen, und deren Willen man durch mancherlei heilige Handlungen zu erforschen suchte. Solche heilige Handlungen übten Priester aus.
Geistiges Leben.
Für das hochentwickelte Innenleben der Germanen, das sich schon in der Beseelung aller sie umgebenden Naturgegenstände und -kräfte ausspricht, legen die uns überlieferten Reste ihrer Poesie Zeugnis ab. „Wissende Weiber“ heilten Wunden mit Zaubersprüchen, unter feierlichem Schlachtgesang zogen die Germanenscharen in den Kampf, mit Rätselfragen vergnügten sie sich am Herdfeuer, und bei ihren Gelagen ertönten zur Harfe des Sängers die Heldenlieder, den Alten zur freudigen Erinnerung an ihre Taten, den Jungen zur Nacheiferung. Ihre Leistungen auf dem Gebiete der bildenden Kunst standen noch auf niedriger Stufe, und ihr „Kunstgefühl zeigt sich nur im Ornament“[1]. Ihren Trieb, den Gebrauchsgegenständen ein wohlgefälliges Ansehen zu geben, erkennen wir in den oft schönen Formen ihrer Töpfe und Totenurnen, die sie mit Punkten, Strichen und Zickzacklinien verzierten. In ähnlicher Weise versahen sie ihre übrigen selbstgefertigten Hausgeräte, ihre Waffen, Schilde u. dgl. mit Verzierungen. Die Außenseite der Balken ihrer Häuser, namentlich der Torpfosten, versahen sie mit Schnitzereien, und wir dürfen wohl diesen noch heut auf dem Lande geübten Gebrauch als einen Nachklang der Kunstübung jener ältesten Zeiten ansehen.
- ↑ Steinhausen, a. a. O. 92.