Herforder Chronik (1910)/012

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Herforder Chronik (1910)
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aber in der Kultur zurück gegen ihre nach Süden stürmenden Stammesverwandten, die Sachsen, die auf ihrem Wege mit der viel höheren Kultur der Kelten in Berührung traten. Wie tiefgehend die Einwirkung des keltischen Einflusses auf die Germanen gewesen ist, das ist eine noch unerledigte Gelehrten-frage. Sicher scheint aber, daß, nachdem die Kelten dem Ungestüm ihrer Bedränger gewichen waren, um sich am Rhein, ebenso weiter nach Westen in Gallien, dem heutigen Frankreich, und in der Schweiz neue Wohnstätten zu suchen, die Germanen allmählich in ihren Urzustand zurückgesunken sind. Aus den altgermanischen Funden in unserer Gegend wenigstens, die wir oben erwähnt haben, ist zu erkennen, daß unsere Vorfahren auf einer ziemlich niedrigen Kulturstufe gestanden haben.

Über die Zeit, wann jene germanische Einwanderung hier geschehen, läßt sich Sicheres nicht angeben, jedenfalls aber wohnten die Germanen hier lange, bevor Hermann den Varus schlug.

Über das Leben der germanischen Urbewohner des Werretales hat kein Schriftsteller berichtet, wahrscheinlich glich es dem Nomadenleben der Völker Asiens; ohne feste Wohnsitze zu haben, wanderten sie, wohin reichlichere Nahrung sie lockte. Da sie aber einem der größeren deutschen Stämme angehörten, so läßt sich annehmen, daß ihr religiöses wie geistiges Leben mit dem anderer deutschen Stämme übereinstimmte. Dasselbe läßt sich von ihren sozialen und äußeren Lebensverhältnissen vermuten, die denjenigen der übrigen Germanen jedenfalls ähnlich gewesen sein werden. Die folgenden kurzgefaßten Ausführungen[1] über germanische Kultur in der Urzeit treffen gewiß in den meisten Fällen auch auf sie zu und werden uns ein Bild geben, wie sich urgermanisches Leben am Werrestrande abgespielt hat.


Den erwähnten unkultivierten Urzuständen waren die Bewohner Deutschlands, namentlich der Gaue zwischen Rhein und Elbe, also auch unserer Gegend, nach und nach entwachsen; wir sehen sie bald auf eine höhere Stufe der Kultur gerückt. An diesem Werdegang haben auch die Anwohner der Werrefurt teilgenommen, und wir würden etwas Wesentliches auslassen, wenn wir nicht wenigstens einige Bemerkungen über das in seiner Entwicklung voranschreitende Volk an dieser Stelle einfügten.

Die Einzelfamilie bildete ein geschlossenes Ganzes, in welchem der Hausvater unumschränkte Gewalt ausübte. Er hatte seine Hausgenossen zu vertreten und war der Allgemeinheit gegenüber für sie haftbar. Ihm zur Seite wirkte die Ehefrau, nicht mehr wie vordem eine Sache, die verschenkt, verkauft oder gar getötet werden durfte, sondern in allen Dingen seine Genossin, die ihn auch in den Krieg begleitete, um ihn im Kampfe anzufeuern.


  1. Nach Steinhausen, a. a. O.