Handbuch der praktischen Genealogie/391

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Handbuch der praktischen Genealogie
Inhalt
Band 2
Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI
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      In vielen Fällen ist es notwendig, die Aussagen der Angehörigen einer weiteren Nachprüfung zu unterziehen und von diesen selbst oder durch Befragung von anderen Personen Klarheit über bestimmte Punkte zu schaffen. Besonders notwendig ist dies in der psychiatrischen Praxis bei all den Fällen, wo es sich um die Zurückhaltung eines Geisteskranken in der Anstalt wegen Gemeingefährlichkeit handelt. Hier ist es durchaus erforderlich, auch die Aussagen der Angehörigen durch protokollarische Zeugenvernehmungen von Seiten der zuständigen Behörden speziell der Bürgermeistereien oder der Polizeiämter nachprüfen zu lassen. In das Regulativ der Klinik für psychische und nervöse Krankheiten in Gießen habe ich eine Bestimmung aufnehmen lassen, die mir die Möglichkeit gibt, in solchen Fällen behördliche Vernehmungen unabhängig von den Aussagen der Angehörigen und des einweisenden Arztes zu veranlassen, eine Einrichtung, die sich in den in Betracht kommenden Fällen besonders bei paranoischen und schwachsinnigen Geisteskranken sehr bewährt hat. Prozentuarisch sind die Fälle, bei denen diese Vorsichtsmaßregel angebracht ist, relativ selten, aber bei der vorhandenen Sachlage dann völlig unentbehrlich, wenn man den Kranken und seinen Arzt vor Ungerechtigkeit schützen will. Die Einrichtung beruht auf der Erkenntnis, daß auch die Aussagen von Angehörigen über Kranke manchmal, wenn auch in viel geringerem Grade als die der Kranken selbst, die genannten Fehlerquellen aufweisen.

Biologisch-familiengeschichtliche Betrachtungsweise.      Unter Beachtung der genannten Schwierigkeiten und Fehlerquellen wird es in der Regel gelingen, nicht nur die unmittelbare Entstehung der Krankheit, sondern auch die ganze persönliche Vorgeschichte unter andauernder Vergleichung mit dem Untersuchungsbefund ins Klare zu stellen. Hierbei handelt es sich in erster Linie um eine Klarstellung einerseits der angeborenen Anlage, andererseits der von außen kommenden Schädlichkeiten und der dadurch erworbenen Störungen. Besonders infolge der neueren Entwicklung der Keimzellenlehre ist diese scharfe Unterscheidung von äußeren und von inneren Momenten von größter Bedeutung und bildet die Voraussetzung zu einer biologisch-familiengeschichtlichen Betrachtungsweise, da im Sinne dieser als endogen, d. h. von innen entstanden, nur das gelten kann, was auf der Zusammensetzung der Keimzellen beruht. Schon das ganze embryonale Leben und besonders auch die Geburt gehört in diesem Sinne zu einer Lebensperiode, in der mannigfache äußere Schädigungen einwirken können, deren Resultat nach der Geburt dann als angeboren im weiteren Sinn erscheint. Man muß also von diesem Standpunkt die Begriffe endogen und angeboren trennen und deutlich aussprechen, daß es eine große Zahl von angeborenen Störungen gibt, die nicht endogen im Sinne der Keimzellenbeschaffenheit sind, sondern im embryonalen Leben oder bei der Geburt erworben wurden. Die Verwechslung der beiden Begriffe hat in der psychiatrischen Hereditätslehre außerordentlich viel Verwirrung gestiftet.

      Eine gründliche Trennung der Gruppen hat zuerst innerhalb des Gebietes des angeborenen Schwachsinnes stattgefunden, der auf pathogenetisch