Handbuch der praktischen Genealogie/379
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Handbuch der praktischen Genealogie | |
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Band 2 Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI | |
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Invaliditätsrente besitzen, und dieser Anspruch wiederum wird rückwirkend zum Kennmal dafür, ob eine Person dieser Klasse zugehört oder nicht. Schon ist die Versicherung der Privatangestellten in ihrer Hauptmasse auf anderer rechtlicher Grundlage Tatsache geworden; sollte sich etwa in ähnlicher Form eine Versicherung der selbständigen Personen mit niedrigerem Einkommen — der Mittelschichten, fälschlich "Mittelstand" benannt — anschließen, dann hätten wir wiederum drei große Gesellschaftsteile, die durch scharfe rechtliche Abgrenzung ganz ähnlich den früheren „Ständen“ geschieden wären, nämlich zwangsweise Versicherte mit staatlicher Unterstützung, zwangsweise Versicherte ohne staatliche Unterstützung und Versicherungsfreie. Würden aber darum die gekennzeichneten Gruppen aufhören „Klassen“ zu sein? Würden sie sich schon dadurch zu neuen „Ständen“ umwandeln? Das Aufwerfen dieser Fragen heißt sie verneinen, und die Verneinung rüttelt allein schon an dem zur Erklärung der gegenwärtigen Gesellschaftsgruppierung errichteten Gedankenbau.
Zu den interessantesten sozialgeschichtlichen Aufgaben gehört es, die hier in Form der Behauptung aufgestellten Sätze, soweit sie Vergangenes betreffen, an der Geschichte einzelner Familien zu erhärten, zu widerlegen, einzuschränken oder zu erweitern. Für den, der Sinn für die Probleme der Sozialgeschichte besitzt und Quellen zu lesen versteht, liegt in den vielen schönen Familiengeschichten, deren wir uns freuen, eine Menge charakteristischer Fälle aus dem 16. bis 18. Jahrh. verzeichnet, aber weder die Soziologen noch die Geschichtsforscher haben sie sich bisher nutzbar gemacht. Sogar die Familienforscher haben nur in seltenen Fällen die Lehre daraus gezogen, daß es sich nicht um vereinzelte Fälle, sondern um allenthalben wiederkehrende Allgemeinerscheinungen, um typische Vorgänge handelt.
Nur für den hohen Adel, für den die Einzeltatsachen verhältnismäßig leicht festzustellen waren, ist die regelmäßige Ergänzung seines Bestandes aus anderen Gesellschaftskreisen systematisch erwiesen worden, aber ganz bezeichnenderweise von Genealogen, und in das Allgemeinbewußtsein der Gebildeten sind deren Ergebnisse bis jetzt ebensowenig übergegangen wie in die soziologischen und geschichtlichen Darstellungen. Das Gegenstück jedoch: der Übergang hochadligen Blutes in die unteren Gesellschaftsschichten, ist m. W. für Deutschland noch nicht planmäßig untersucht worden.
Ganz dieselben Vorgänge zeigen sich bei den übrigen Ständen. Namentlich der Eintritt von reichen Bürgern in den Stand des niederen Adels oder wenigstens in den Kreis der Rittergutsbesitzer (ohne Nobilitierung) war im 16. bis 18. Jahrh. etwas ganz Gewöhnliches, und die Lebenslage wohlhabender bürgerlicher Kaufleute erschien schon zu Anfang des 16. Jahrh. einem gelehrten Leipziger Juristen derjenigen des Adels so verwandt, daß er den bedeutungsvollen Satz schreiben konnte: dan auch ein erbar reicher burger ader kaufman, der wol und zeitlichen seine narunge hat, im rechte sich vorgleicht einem schlechten edelmanne des untersten Standes des adels. Innerhalb der Städte waren wiederum die gemeinen Handwerker weder nach unten von den Besitzlosen noch nach oben von den Kaufleuten und Patriziern so scharf