Handbuch der praktischen Genealogie/344
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Handbuch der praktischen Genealogie | |
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Band 2 Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI | |
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zu einer Geburts- und Besitzaristokratie geworden, die ganz bestimmte und zwar höchst bedeutsame Rechte ausschlieslich in ihrer Hand hielt. Natürlich wurde nicht von Anbeginn der unmündige Sohn Gaugraf als Nachfolger seines Vaters, sondern zunächst ließ man in solchen Fällen — das altgermanische System der Genealogie wachte wieder auf — einen anderen tauglichen Sohn des Geschlechts nachfolgen. Ob später eine Auseinandersetzung dieses Nachfolgers mit den nächsten Erben stattfand, mochten die Umstände Fall für Fall entscheiden.
Genealogisch wichtig ist diese karolingische Aristokratie für uns nicht nur rechtshistorisch, sondern noch aus einem andern Grunde: Auf Familien, die in dieser Zeit zu hohen Ämtern und fürstlicher Macht kamen, lassen sich die ältesten unsrer deutschen Fürstenhäuser im Mannesstamm zurückverfolgen. Die Vorfahren der Häuser Capet, Lothringen, Hessen, Wittelsbach, der Welfen und des Hauses Salm-Reifferscheidt sind schon um das Ende des 9. Jahrhunderts als Grafen in recht imposanter Stellung nachzuweisen; und wenn wir die übrigen modernen Fürstenhäuser dynastischen Ursprungs auch nicht urkundlich ganz so weit — z. T. lange nicht so weit — zurückverfolgen können, so läßt sich doch mit ziemlicher Bestimmtheit sagen, daß sie alle genealogisch in männlicher Linie von Grafenhäusern der Karolingerzeit stammen. Anstatt einen Beamtenadel zu schaffen, hat Kaiser Karl eine Menge lokal mächtiger kleiner Dynastien gegründet, die zum Teil später in der deutschen Reichshälfte ihre gleichzeitig grundherrliche und Amtsgewalt dazu benutzten, sich eine souveräne Stellung zu gründen.
Während in dieser Weise die rein genealogische Konsolidation des neuen Beamtenadels schon unter Kaiser Karl dem Großen begann, ist von einer bestimmten rechtlichen Abgrenzung dieser adeligen Familien anderen gegenüber noch nicht die Rede. Die „Genealogie" wieder und nun in erhöhtem formelleren Maße zur Trägerin besonderer Privilegien zu machen, blieb der nachkarolingischen Zeit vorbehalten.
2. Die Aristokratie der Kaiserzeit bis zur staufischen Periode.
Die Aristokratie der Kaiserzeit bis zur staufischen Periode. Vom Beginn des eigentlichen deutschen Reiches bis in die Zeit der staufischen Kaiser hinein war der ganze Grund und Boden der ganzen damals deutschen Lande aufgeteilt zwischen dem König, den geistlichen Grundherren, der weltlichen Aristokratie und bäuerlich lebenden kleinen Grundbesitzern. Dabei bildeten König, Kirche und Aristokratie im Grunde eine einzige Gruppe; denn der König war seit Konrad I. einer von den Aristokraten, primus inter pares, dem allerdings zu seinem Hausbesitz noch das bedeutende Krongut zufiel, über das die Kaiser bis in das 11. Jahrhundert noch überall in Deutschland direkt verfügten; und von den ursprünglich jedem zugänglichen Bischofsitzen, Stiftern und Abteien waren die meisten im 9. Jahrhundert schon derart von der Aristokratie in Beschlag genommen, daß nur ein Abkömmling des großgrundherrlichen Adels dort die leitende Stelle einnehmen oder gar überhaupt