Handbuch der praktischen Genealogie/303
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Handbuch der praktischen Genealogie | |
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Band 2 Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI | |
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Die Verwandtschaftsverhältnisse der einzelnen waren den Menschen des Mittelalters bei ihrem beschränkten Gesichtskreise so bekannt, daß sie mitunter einen Mann, der keinen Familiennamen hatte, nicht etwa durch Anführung einer individuellen Eigentümlichkeit bezeichneten, sondern durch Angabe seiner Verwandtschaft mit irgend einer anderen Person. So nennt z. B. in einer Urkunde von 1318 sogar der Reichs- und Stadtschultheiß zu Frankfurt die beiden Verkäufer bloß „Harplo genannt der Reynhern Eidam und Hedwig seine Gattin". Es gab aber damals und selbst noch über hundert Jahre später gar manche Leute, die keinen Familiennamen hatten, sondern bloß ihren Taufnamen führten. Sogar in einem Frankfurter Ratsprotokoll von 1453 kommt in betreff zweier Männer, die städtische Söldner zu werden wünschten, der so abgefaßte Beschluß vor: „den czweien knechten, die nit namens han, den dienst abeslagen".
Selbst Brüder kommen mit verschiedenen Zunamen vor, weil jeder von ihnen sich nach seinem Wohnhause benannte. Manche behielten, sogar nachdem sie ihr Haus verkauft hatten, den Namen desselben bei, während auch der neue Besitzer sich nach diesem benannte.
Noch ist zu bemerken, daß die Feststellung des Wortbegriffes und der Herleitung vieler mittelalterlicher Namen durch den Umstand erschwert wird, daß, weil man damals nicht so viel wie jetzt schrieb, die Form eines Namens im Munde der Menschen sich leicht umwandelte. Am Schluß des 14. Jahrhunderts befand sich unter den weltlichen Richtern in Frankfurt einer, dessen Name in folgenden drei Formen vorkommt: Krauesel, Krauweyse, Krauisen. Ferner ist im Beedbuch von 1495 ein Schreiner mit dem Namen Hans von Castel eingetragen, in denen der nächsten zwei Jahre aber heißt er Hans im Casten. Der Frankfurter Gastwirt, bei dem Luther 1521 eingekehrt war, führte die beiden Namen Wolf Parentes und Johann Bronner, und in zwei vorhandenen Briefen desselben ist der eine mit Johann Bronner, der andere mit Johann Bronnel unterschrieben, welche doppelte Schreibung Sprachkennern leicht erklärlich ist. Noch sei erwähnt, daß ein im Beginn des 15. Jahrhunderts oft genannter Kustos des Bartholomäus-Stiftes, der jahrelang mit dem Rat in erbittertstem Streite lag, bald Clas Gerstung (wie er eigentlich hieß), bald Clas Gerstenesel heißt. Die letztere Benennung beruhte offenbar nicht auf Mißverständnis, sondern auf Haß und auf der am Ende des Mittelalters herrschenden Neigung zum Spotte.
Wie häufig bei Nachforschungen sprachgeschichtlicher Art, so ist ganz besonders bei der Namenforschung, wie schon kurz bemerkt wurde, auf die Verschiedenheiten der Dialekte ein sorgsames Studium zu verwenden.[1] Wenn festgestellt ist, wo die Heimat der Familie lag und wie die ursprüngliche Gestalt ihres Namens beschaffen gewesen ist, wird man sich die Frage vorzulegen
- ↑ Schröder, Edw., MIÖG 16, 20. Zeitschrift f. deutsche Mundarten. Im Auftrage des Vorstandes des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins hrsg. v. Otto Heilig und Philipp Lenz. Berlin, Verlag des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins (F. Berggold 1907 ff.).