Familie Jonas aus Pokallna
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Familie Jonas:
Lehrer Rudolf Jonas
(Seine Eltern lebten in Altdamm, Pommern)
oo mit
Luise Petereit aus Schunellen
Kinder:
Ruth
Alice
Dienstmädchen: Emma Jureit aus Pokallna
Ruth Jonas schreibt (in Kindheit im Memelland, geschrieben 1981):
Unsere Wohnung im Schulhaus bestand aus drei Zimmern, einem Mädchenzimmer mit Durchgang zum Keller, einer Küche und zwei Veranden.
Ein Bad hatten wir nicht, die Eltern wuschen sich im Schlafzimmer, wo auf dem Waschtisch mit Marmorplatte eine Steingutschüssel und die dazugehörige Wasserkanne stand. Wir Kinder wurden in einer Holzwanne in der Küche abgeseift - und baden konnte man im Fluß.
Eingerichtet waren wir ganz anders als die Fischer. Das Wohnzimmer mit Büffet und Anrichte, mit Sofa und dem Schaukelstuhl am mächtigen Kachelofen. In der Zimmermitte stand der große Eßtisch - oder schien er mir nur so groß, weil ich so klein war? Nicht vergessen darf ich das Klavier, schwarz, hochglnzpoliert. Und was mir damals so imponiert hat, waren die bronzenen Kerzenhalter rechts und links über den Tasten mit je zwei beweglichen Armen.
Da war das Herrenzimmer mit Schreibtisch, Clubgarnitur, großem Teppich und dem Elchfell mit den langen Schulterhaaren. Zahlreiche Geweihe hingen an den Wänden. Den runden Tisch empfand ich als etwas Besonderes - an ihm wurde Skat gespielt, und er hatte eine Extravorrichtung, die an vier Stellen ausgeklappt werden konnte und dem Spieler Platz bot für sein Glas, das Spielgeld und die Asche.
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Aber nun zur Küche. Der Fußboden am Tisch und Schrank war aus Holz, um den Kachelherd und die Pumpe herum aus Zement.
Ja, die Küche hatte eine Pumpe, die aus einem tiefen Brunnen gespeist wurde, in dem es so manche Pflanze und allerlei Getier gab, u.a. Frösche.
Geschichtchen
Schlittschuhlaufen
Nach meist sonnigem, warmen Herbst, gab's im Oktober schon Frost, und wir kramten unsere Schlittschuhe vor. Zwei Teiche, der lange, unmittelbar neben dem Garten un der runde an der Hofeinfahrt, lockten. Der eine war 9 m tief und der andere 6 m, und beide waren vor vielen Jahren von reißenden Hochwasserfluten ausgerissen worden.
Kaum bildete sich Eis auf ihnen, drängelten wir; aber die Eltern waren vorsichtig, war doch die kleine Tochter von Paps Vorgänger eingebrochen und ertrunken.
Schlittenfahren
Natürlich gab es bei uns viel Schnee im Winter. Da wir keine Berge hatten, begnügten wir uns mit der Abfahrt vom Damm auf den Hof. Viel an Erinnerung habe ich aber nicht mehr daran.
Weit mehr weiß ich von Schlittenfahrten mit unserem Moritz. Unser Schlitten war ein sogenannter Muschelschlitten mit vielen runden und gewölbten Flächen. Er war gelb lackiert, verziert mit silbrigen Metallornamenten, zweisitzig vorne und hinten mit einem Kuschersitz. Da saß Emma, wenn sie mitfuhr, kutschierte aber nicht. Vor den Eltern hockten wir auf Fußstühlchen, bis zum Hals unter der Pelzdecke. Darüber wurde noch eine dunkelblaue Tuchdecke, eingefasst mit weißem Fell, gespannt. Schmuck sah unser Gefährt aus!
Mit Glockengeläut ging's los, den Ausweg entlang bis zum Fluß - und er war dann die beste Schlittenbahn, die man sich denken konnte.
Man mußte nur aufpassen, nicht in ein Wasserloch zu geraten. Die Fischer hackten das Eis an manchen Stellen auf, um auch im Winter fischen zu können. Man kannte in etwa die Plätze, die zusätzlich noch mit Ruten markiert wurden, aber im Dunkeln konnte es schon mal gefährlich werden.
Elche
Wenn sehr viel und lange Schnee lag, wurden sogar die Elche zutraulich. Sie zeigten sich immer öfter in der Nähe des Dorfes, und die Knospen von manchem Obstbaum mußten daran glauben.
So sehe ich noch unsere Oma Petereit, die gerade bei uns zu Besuch war, knüppelschwingend auf ein Rudel losgehen, um es von unseren Johannisbeersträuchern zu vertreiben. Nicht ganz ungefährlich - aber die Elche trollten davon.
Flucht
Nachts ist Papa dann heimlich - man hatte ihm seine Papiere abgenommen - über die Grenze geflohen.
Onkel Max holte Alice und mich nach Schunellen, Mutti verließ einige Zeit später Pokallna, um nach Deutschland zu gehen.
Unser Hausstand löste sich langsam auf.
Emma, die noch einige Zeit die Stellung hielt, kehrte schließlich ins Elternhaus zurück.
Das verlassene Haus und der einsame Hof kamen nicht ungeschoren davon - vieles verschwand.
Onkel Max konnte den Rest mit Hilfe eines Rußer Spediteurs, der hilfreich einsprang, auf dessen Namen über die Grenze bringen.
Nach dem Krankenhausaufenthalt von Papa in Tilsit wohnten die Eltern in Gilgetal bei Onkel Michel (einem Bruder unserer Oma) und Tante Grete.
Papa ohne Stellung, die Familie auseinandergerissen.
Wir alle standen vor einer ungewissen Zukunft.
Das war im Jahre 1934 - und unsere erste Flucht aus dem heimatlichen Paradies. - -
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