Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland/Anlagen 132

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Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland
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schöffenbar und bewahren sich damit wichtige Rechte der Vollfreien.[1] Sie werden daher in Westfalen sogar noch liberi genannt.[2]

Sie stehen im Gegensatz zu den immer unfrei gewesenen, „altdienstmännischen‟ Ministerialen, denen diese Freiheitsrechte fehlen. Sie nennen sich selbst schöffenbar und frei,[3] sind aber in Wahrheit hörig und haben sich nur die oben erwähnten Freiheitsrechte trotz ihrer Hörigkeit erhalten. Da sie ihren Besitz durch den Eintritt in die Ministerialität mit Dienstlehen vermehren, so bleiben sie Grundherren. Der schon durch ihre Eigenschaft als Dienstmannen geforderte ritterliche Beruf bedingt ein rittermäßiges Leben. Durch den gemeinsamen ritterlichen Beruf und dementsprechende Lebensweise erhalten sie eine soziale Gleichberechtigung mit den freien Rittern. Beide Klassen verschmelzen zu einem neuen, großen Stand, dem Adel, der sich politisch durch den Kriegerberuf, sozial durch rittermäßiges Leben, wirtschaftlich durch ein arbeitsloses Einkommen (Grundherreneigenschaft) charakterisiert.

Der dritte und letzte Teil der Vollfreien endlich bleibt außerhalb jeder lehns- und dienstrechtlichen Verbindung. Er wird weder freier noch höriger Lehnsbesitzer und bleibt daher auf sein freies Gut, seine hereditas, allein angewiesen. Dieser aus wenigen Lathufen und einem Siedelhof mit geringer Hofsaat bestehende Besitz trägt nicht so viel, daß er sich der ritterlichen Lebensweise zuwenden, den Kriegsdienst als Lebensberuf ergreifen kann. Er wird daher vom Kriegsdienst befreit und einer Heersteuer unterworfen, die sich bald als dingliche Last auf sein freies Gut legt. Er widmet sich ausschließlich dem Bau seines Gutes; seine grundherrlichen Bezüge treten hinter den Erträgen seiner Eigenwirtschaft zurück; er wird pfleghafter Bauer. Durch den Übertritt zum bäuerlichen Beruf und durch den Verlust des Waffenrechts tritt er in einen sozialen Gegensatz zu den beiden grundherrlich gebliebenen und ritterlich gewordenen Ständen der nobiles und Ministerialen.

In Ostfalen verliert er die Schöffenbarkeit im echten Ding (Grafengericht), in Westfalen dagegen verbleibt ihm diese Eigenschaft.[4] Er bildet hier mit den zu Ministerialen gewordenen Vollfreien die Klasse der liberi, die schöffenbar im echten Ding seit dem Ende des 12. Jahrhunderts allein die Funktion der Urteilfindung im Grafengericht ausübt, weil die nobiles sich seit dieser Zeit von dieser Aufgabe befreit haben.[5]


  1. Vql. v. Zallinger, Schöffenbarfreie, S.268. — Ficker, Vom Heerschild, S.169 ff.
  2. Aus der großen Zahl der westfälischen Gerichtsurkunden, die diese Thatsache erweisen, will ich nur die charakteristischste anführen: Westfäl. Urkundenbuch III, Nr.1595 (a. 1297). Johann Rusce resigniert vor dem Freistuhl von Darfeld Eigengüter coram comite et liberis videlicet: Gerhardo de Wethherden milite, Johann Vreselere, Thiderico dicto de Gronlo, Hermanno de Vullen, Eberto Uppenberge, Thiderico de Stochem comite, Lutberto Saxone, Johanne de Rammesberg, Rodolfo de Langen, Thiderico Munpeler famulis ...
  3. Vgl. v. Zallinger, Schöffenbarfreie, S.245-251.
  4. Vgl. v. Zallinger, Schöffenbarfreie, S.256-258. — In späterer Zeit, als die nobiles und ministeriales aus dem echten ausgeschieden, wurden auch in Ostfalen die Pfleqhaften wieder schöffenbar. Vgl. die Glosse zu S. Ld. R. Lib.III Art.29 § 1.
  5. In den westfälischen Gerichtsurkunden des 13. Jahrhundert läßt sich kein Angehöriger eines Edelherrengeschlechts mit Sicherheit als Schöffe nachweisen. Daher giebt es in Westfalen einen Stand von Schöffenbaren, der als nach oben hin trennendes Merkmal die Schöffenbarkeit besitzt. Vgl. Westfälisches Urkundenbuch IV, Nr.221 (a. 1233) homo libere conditionis, quod in vulgari scepenbere vocatur.