Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland/Anlagen 115

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Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland
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Der Lite war hörig,[1] hatte aber eine landrechtlich anerkannte, durch ein Wergeld von 120 solidi[1] geschützte Persönlichkeit und außerdem die oben erwähnten öffentlichen Rechte und Pflichten.

Bei Mordthaten des Liten haftete der Herr nur dann, wenn sie in seinem Auftrag geschehen waren.[2] Hatte der Herr keinen Teil daran gehabt, so reinigte er sich von der Mitschuld durch den Eid und gab sein Recht an dem Liten auf, der dann mit sieben seiner Verwandten der Blutrache der Sippe des Getöteten verfiel.

Zur Heirat bedurfte der Lite eines ausdrücklichen Konsenses seines Herrn.[3] Nur der Lite des Königs hatte für seine Person Heiratsfreiheit.[3] Dagegen mußte auch er zur Verheiratung seiner Tochter die Erlaubnis seines Herrn nachsuchen.[3]

Die Sklaven hatten keine im Recht anerkannte Persönlichkeit. Für ihre Unthaten haftete der Herr immer und unbedingt.[4] Von dieser Haftung konnte er sich nicht wie von der für Missethaten des Liten durch Abschwören der Mitwisserschaft und durch freiwillige Aufgabe seines Rechts (Dereliktion) an der Person des Unfreien lösen.[4]

Die Sklaven unterlagen den Grundsätzen des Mobiliarsachenrechtes.[5] Wurden sie getötet, so empfing höchstwahrscheinlich der Herr[6] ihr Wehrgeld von 36 solidi[6] als Schadensersatz.

Über die liberi erfahren wir nur das Folgende, Sie konnten zu einem nobilis in einem Schutzverhältnis (tutela) stehen.[7] Zwang sie die Not, ihren ererbten Grundbesitz (hereditas) zu verkaufen, so waren sie verpflichtet, diesen zunächst ihrem proximus (nächsten Verwandten) und hierauf dem edlen tutor zum Kauf anzubieten. Erst wenn diese beiden von ihrem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch gemacht hatten, konnten sie frei darüber verfügen.[7] Von der Anklage, einen Sklaven ermordet zu haben, reinigten sie sich gleich den Liten durch den vollen, d.h. mit elf Eidhelfern zu leistenden Eid. Der nobilis bedurfte hierzu nur zweier Eidhelfer.[7]

Der fredus (fredum das Friedensgeld), d.h. eine kleine Strafe, die wegen Friedensbruchs an den öffentlichen Beamten entrichtet werden mußte, betrug für nobiles 12, für liberi 6, für Liten 4 solidi.[7]


  1. 1,0 1,1 Vgl. Lex Saxonum, Kap.16. —- v. Richthofen in M. G. L.L. Tom.V, S.56 Anm.41.
  2. Vgl. Lex Saxonum, Kap.18. Gaupp (Recht der alten Sachsen S.119), und, wie es scheint, auch Schröder (Rechtsgeschichte S.341) fassen die Aufgabe des Rechts des Herrn als Freilassung auf. — Vgl. dagegen v. Richthofen, M. G. L.L. Tom.V, S.57 u. 58 Anm.43 u. 44. — Brunner, Rechtsgeschichte I, S.159 Anm.12 u. II, S.552.
  3. 3,0 3,1 3,2 Vgl. Lex Saxonum, Kap.65.
  4. 4,0 4,1 Vgl. Lex Saxonum, Kap.50 u. 51. Die Bestimmung, daß im Fall der Flucht des Sklaven der Herr von der Haftung befreit wurde, erscheint als eine dem strikten Recht zuwiderlaufende Billigkeitsbestimmung. Vgl. v. Richthofen, M. G. L.L. Tom.V, S.76 Anm.35.
  5. Vgl. Lex Saxonum, Kap.62. — Brunner, Rechtsgeschichte I, S.234.
  6. 6,0 6,1 Vgl. Lex Saxonum, Kap.17. — Gaupp, Recht und Verfassung S.123.
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 Über den Eid des liber vgl. Lex Saxonum, Kap.17. — Heck, Altfriesische Gerichtsverfassung S.300 Anm.164. — Über das Friedensgeld vgl. Lex Saxonum, Kap.36. — v. Richthofen, Zur Lex Saxonum,, S.123. — Über den liber sub tutela nobilis vgl. Lex Saxonum, Kap.64.