Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland/171

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Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland
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§ 3. Sozialpolitische Bedeutung.

Um die sozial- und wirtschaftspolitische Bedeutung dieser Verwaltungs- und Gerichtsorganisation für die ländliche und besonders für die bäuerliche Bevölkerung richtig zu würdigen, müssen wir im Auge behalten, daß das Amt und das adelige Gericht staats- und Privatwirtschaftliche Zwecke und Aufgaben hatten.

Sie waren ebensosehr Organe der landes-, bezm. gerichtsherrlichen Vermögensverwaltung, wie öffentliche oder wenigstens öffentlichen Zwecken dienende Justiz- und Verwaltungsbehörden. Hieraus ergiebt sich, daß sie bei der Ausübung der ihnen übertragenen Amtsgewalt der ländlichen Bevölkerung gegenüber sowohl öffentliche wie fiskalische, bezw. private Interessen wahrzunehmen hatten.

Sehen wir uns zunächst das Amt bei der Erfüllung dieser Aufgaben näher an, fo bemerken wir, daß der Amtmann alle seine Amtsunterthanen, auch die Eingesessenen der ungeschlossenen adeligen Gerichte, als Besitzer der steuer- und dienstbelasteten Bauerngüter, einer stetigen Aufsicht unterwarf. Hier hatte er ein öffentliches, ein staatliches Interesse an den Bauern als den Trägern der öffentlichen Dienste nnd Steuern wahrzunehmen.

Ferner bezog das Amt als Domanialverwaltungsstelle im südlichen Niedersachsen den Ackerfrondienst sämtlicher unmittelbarer Nmtsunterthanen. Dieses fiskalische Interesse erreichte seinen Höhepunkt bei denjenigen Amtsunterthanen, die zugleich vom Amte grundherrlich abhängig, also Meier oder Erbzinsleute desselben waren.

Da die Hauptaufgabe des Amts bei der Wahrnehmung aller dieser öffentlichen und privaten Interessen am Bauerngut darin bestand, die Zahl der vorhandenen Bauerngüter und ihren Ländereibestand zu erhalten und die Leistungsfähigkeit ihrer Besitzer zu heben, fo sehen wir, wie im 18. Jahrhundert die ganze Amtsverfassung diesem Zwecke dienstbar gemacht war, wie der Amtmann zu seiner Erreichung eine rücksichtslose Thätigkeit entfaltete.

So verweigerten die Beamten bei der Ausübung der freiwilligen Gerichtsbarkeit die zur Giltigkeit des Gefchäfts notwendige Konfirmation der bäuerlichen Ehestiftungen, Verkäufe und sonstigen Kontrakte, wenn die Leistungsfähigkeit der Bauerngüter durch diese Geschäfte gefährdet erschien.[1]


  1. Vgl. S.159 Anm.8. Kalenb. Verordnung de 17./x. 1719 in C.C.C. cap.V Nr.53. Desgl. Verordnung wegen Besichtigung der Feldfrüchte vom 14./III. 1738 § 22, in C.C.C. cap.V Nr.54. Daher kam auch das Bestreben der Grundherren, die Pfändung liquider Gefälle selbst vollstrecken zu können, welches Recht ihnen im Norden allgemein zukam, im Süden aber versagt blieb. — Vgl, Grefe II, S.205—207. — Gesenius, Meierrecht I S.470, 471. — Vgl. über Remissionsverordnungen C.C.C. cap.V Nr.54. — Hildesh. Landesordnung, Bd.I S.376 Nr. 38, (Verordnung de 20./VI. 1766), Bd.II S.71 Nr.19 (Verordnung de 17./III. 1780). Beschwerde der Gutsherren im Weserdistrikt von Braunschweig-Wolfenbüttel de 1717, bei Nolten, De iuribus et consuetudinibus circa villicos. Braunschweig 1738, S.78 ff. Vgl. auch Gesenius, I, S.505—507. — Spezialakten der Domänenkammer, Hannover Des. 88 Amt Diepholz A. Generalia. Conv. XIVb vol.C. Fasc.1 Fol.79 ff.