Deutsche und französische Kultur im Elsass/076
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ist verhältnismässig klein; grosse Bildhauer finden wir nur ganz vereinzelt, dagegen bedeutende Maler in etwas grösserer Anzahl. Aber gerade bei den grossen deutschen Malern (einschliesslich der Zeichner und Radierer) ist das bildnerische Können nicht die Hauptsache. Gegenstand und Gedankeninhalt machen die eigentliche Bedeutung ihrer Werke aus.
Betrachten wir unter diesem Gesichtspunkt die grossen deutschen Maler des 19. Jahrhunderts: Kornelius, Kaulbach, Schwind, A. L. Richter, Anselm Feuerbach, Menzel, Böcklin, Lenbach, Leibl, Max Klinger, Thoma. Sie sind Dichter und Denker, nicht selten beides zugleich. Da finden wir Geschichtsphilosophen wie Kornelius und Kaulbach, Dichter wie Feuerbach, Schwind und Thoma, scharfbeobachtende Historiker und Soziologen wie Menzel, gemütliche Schilderer des Volkslebens wie Adrian Ludwig Richter, Psychologen und Charakterdarsteller wie Lenbach und endlich die eigenartige Vereinigung von Dichter, Philosoph und Historiker in Böcklin. Bei den meisten dieser Künstler steht das technische Können nicht auf der gleichen Höhe wie ihre Phantasie und ihr künstlerisches[1] Wollen. Höchstens bei Menzel, dagegen nicht immer bei Böcklin vermag die Hand dem Flug des Geistes zu folgen.[2] Aber die einen wie die anderen sind deutsche Künstler. Denn alle suchen einem Gedanken oder einer Vorstellung sinnlichen Ausdruck zu geben. Die bildende Kunst ist ihnen ein Mittel zum Zweck, nicht Selbstzweck. Es fehlt die Ehrfurcht vor der sinnlichen Erscheinung, nur als Typus als Träger einer Idee, wird sie der Nachbildung für wert gehalten. In einem völligen Gegensatz dazu steht die französische Kunst des 19. Jahrhunderts. Seitdem sie den Klassizismus überwunden hat, ist ihr ganzes Bestreben darauf gerichtet, der sinnlichen Erscheinung gerecht zu werden. Alle Richtungen der französischen Malerei, der Realismus, der Naturalismus, der Impressionismus, die Freilichtmalerei, erklären sich aus diesem Bestreben. Es würde schwer halten, die grossen französischen Maler in ähnlicher Weise wie die deutschen Künstler zu charakterisieren. Auch sie behandeln natürlich verschiedenartige Stoffe, aber diese Unterschiede treten völlig zurück gegenüber dem sie alle einenden Ringen um die technische Vollendung. Das Verhältnis des französischen Künstlers zu seinem Stoff ist naiver und unmittelbarer als das des Deutschen. Er denkt weniger und sieht mehr. Er will nicht einen Gedanken vermittelst seiner Darstellung zum sinnlichen Ausdruck bringen, sondern er vertieft sich in die sinnliche Erscheinung der Dinge um der Erscheinung selber willen. Er will das, was er erschaut hat, andere erschauen lassen, und dafür hat er sich den Sinn, das Auge, als massgebenden Führer erwählt. Er verfährt in der Kunst induktiv, während der deutsche Künstler deduktiv vorgeht.
Bei diesem technischen Streben kommt ihm nun freilich eine Naturgabe zu Hülfe, die man als nationale Anlage bezeichnen muss. Es ist das Gefühl für das Wesentliche in der sinnlichen
- Bildunterschrift:
- A. KOERTTGÉ: Altes Thor in Wasselnheim.