Deutsche und französische Kultur im Elsass/034
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und innig. In der Ehe tritt die Frau wenig nach aussen, sondern widmet sich ganz ihrem Hauswesen; sie besitzt nicht annähernd die geschäftliche Tüchtigkeit der Nationalfranzösin, und behauptet daher keine so ausgezeichnete Stellung im wirtschaftlichen Leben wie diese.
Verschiedene Ursachen, wie die religiöse Indifferenz oder niedere Geisteskultur, am meisten aber der unmittelbare Einfluss französischer Sitten haben dem Maîtressenwesen eine weite Verbreitung besonders in den grössten Städten des Landes gegeben. Es geht durch alle Kreise der Bourgeoisie, unverheiratete, seltener auch verheiratete Männer haben ihre „Geliebte" aus den niederen Volksklassen. Nicht selten führen solche Verhältnisse auch zu Heiraten, da die soziale Stellung beider Teile bis auf die pekuniäre Überlegenheit des Mannes nur wenig verschieden ist. Dagegen ist die Prostitution im technischen Sinn gerade bei der elsässischen Bevölkerung der grossen Städte weniger verbreitet. Die Hauptmasse der Prostituierten sowohl wie ihrer männlichen „Kundschaft" besteht wie überall aus nicht einheimischen Individuen. Der moralische Zustand der ländlichen Bevölkerung ist von dem der übrigen süddeutschen Bauern nur wenig unterschieden. Wie überall auf dem Lande herrscht in den Beziehungen der ledigen jungen Leute beiderlei Geschlechts die grösste Ungebundenheit. Das eheliche Leben verläuft meist ruhig ohne erhebliche Exzesse eines der beiden Teile. Auch spielt bei der Heirat die gegenseitige Neigung eine erheblichere Rolle als in den bäuerlichen Kreisen Altdeutschlands. Unter den protestantischen Grossbauern des Unterelsasses findet sich das Zweikindersystem ziemlich ausgeprägt, das in den Städten auch bei der höheren Bourgeoisie minder scharf hervortritt.
Wie man sieht, finden sich im moralischen Zustand des Elsässers Züge, die wie das Maîtressenwesen unverkennbar auf französische Einflüsse hindeuten. Andere, wie das Zweikindersystem bei der Landbevölkerung, scheinen unabhängig von fremden Einflüssen direkt aus gleichartigen Verhältnissen im geistigen und materiellen Leben des Volkes hervorgegangen zu sein. Die Grundzüge des ehelichen Verhältnisses, besonders die Stellung der Frau, sind deutsch, auch die Erziehung der Kinder trägt, abgesehen vielleicht von einzelnen streng katholischen Familien, einen mehr deutschen Charakter, wenn sie auch in der Sprache und sonstigen äusseren Einzelheiten ganz französisch ist. Von einer alle Verhältnisse beherrschenden Übermacht des weiblichen Geschlechts wie in Frankreich ist im Elsass keine Rede. Die Elsässerin kann sich weder an Geist, Spannkraft, körperlicher Grazie noch geschäftlicher Tüchtigkeit mit der Französin messen, der Elsässer ist zu derb und zu wenig sinnlich, um so sehr wie der Franzose dem weiblichen Einfluss zu erliegen.
Hinsichtlich der Häufigkeit der Vergehen und Verbrechen gegen die Reichsgesetze nimmt das ganze Reichsland Elsass-Lothringen im Vergleich zu anderen deutschen Gebieten eine ziemlich günstige Stellung ein. Nach der Reichsstatistik für das Jahr 1894, die wegen ihrer Ausführlichkeit den späteren, sonst wenig veränderten Aufstellungen vorzuziehen ist, entfielen
- Bildunterschrift:
- v. SEEBACH: Strassburger Dienstmann.