Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/112

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Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
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Und wir saßen auf den Felsenzinken,
Spähend noch, als es schon finster war.
Bis wir sahn des Dorfes Lichter blinken,
Und des Himmels Sterne hell und klar.
Da gedachten wir, daß doch so lange
Unsre Aeltern nicht geblieben sei'n,
Und da ward es mir ein wenig bange,
Weil ich nicht den Heimweg wußt' allein.
Deßhalb wollte mich mein Bruder necken,
Und fing scheinbar an, sich auszuziehn;
Warf sein Röckchen, nur um mich zu schrecken,
Mit den Worten auf die Erde hin:
„Da wir doch nicht mehr nach Hause kommen,“
„Schlafe heut ich hier auf diesem Platz!“
„Nun, so lasse Dir es wohl bekommen,“
Sprach ich „und ich geh' zum Pfarrer Kratz!“
Also sprechend wandt ich meine Schritte
Nach dem Busenbörner Pfarrhaus hin,
Und auch gegen meines Bruders Bitte
Blieb ich bei dem ausgesprochnen Sinn.
Als die Pfarrleut' an dem Tische saßen,
Traten wieder wir in ihre Stub';
Dickmilch und Kartoffeln wir auch aßen
Gleich mit ihnen für die Abendsupp'.
Drauf dieselben einen Boten sandten
Unsern Aeltern eiligst in der Nacht
Mit der Nachricht, wo wir uns befanden,
Und daß sie zu Bette uns gebracht.
Als die Aeltern nun nach Hause kamen,
Frugen sie: „Sind denn die Buben da?“
Weil sie drauf ein staunend „Nein“ vernahmen,
Ging es ihnen augenblicklich nah'.
„Ach, wie werden sich die armen Jungen“
„Aengsten jetzo in dem dunklen Wald!“
„Haben sie marode sich gesprungen,“
„Finden doch sie nirgends Unterhalt!“
„Schleunigst müssen wir nach ihnen streifen,“
„Noch bevor sie von dem rechten Pfad“
„In der Irre weiter abwärts schweifen;“
„Darum flugs hinaus auf frischer That!“
In dem nächsten Augenblick entfernen
Unsre Aeltern und der Schulvicar
Groh sich nach dem Wald mit drei Laternen,
Aufzusuchen das verlorne Paar.
Durch des Hillerswaldes Buchenhallen
Ließen oft und laut die Namen sie
Theodor und Christian erschallen,
Eine Antwort aber folgte nie.
Manchmal blies der Vater auf der Flöte,
Um zu sehn, ob dieses Instrument
Etwa weiterhin noch Wirkung thäte,
Als die Menschenstimme reichen könnt'.
Endlich sehen Alle in der Ferne,
Grade auf dem Busenbörner Pfad,
Daß sich ihnen Jemand mit Laterne
Und mit ziemlich schnellen Schritten naht.
Denkend nun, das könnten uns're Kinder
Oder auch ein Bote an uns sein,
Lenkte unser Vater noch geschwinder
Auf den fremden Leuchtenträger ein.
Doch als dieser Letzte deutlich siehet,
Daß ihn Jemand rasch ereilen will,
Stutzt er eine Weile, nachher fliehet
Er und steht auch auf kein Rufen still.
Da der Vater aber wissen wollte,
Wer der Unbekannte möge sein,
Lief er schneller auf ihn zu und holte
Bald den athemlosen Flüchtling ein.
Kaum hat dieser etwas sich gesammelt,
Als erschrocken und mit großer Müh'
Zu dem Vater er die Worte stammelt:
„Ach, Herr Pfarrer! ach das waren Sie!“
Dieser sprach: „Was hat Sie nur bewogen,“
„Lieber, alter Kirchensenior,“
„Daß Sie so vor mir sind ausgezogen?“
„Dieses kommt mir wie ein Räthsel vor!“
„Ach, ich muß mich zwar vor Ihnen schämen,“
„Wenn ich Ihnen dieses Räthsel lös;“
„Doch Sie dürfen mir's nicht übel nehmen,“
„Denn ich meinte es dabei nicht bös!“
„Diesen Ort sucht Jeder zu vermeiden,“
„Und bei Nacht geht Niemand gerne her,“
„Weil es heißt, daß es seit alten Zeiten“
„Hier zur Nachtzeit nicht geheuer wär'.“
„Und auf dieser Stelle soll auch gehen“
„Oft bei Nacht ein schwarzer Leuchtemann,“
„Was so Mancher, der ihn hat gesehen,“
„Ihnen für gewiß bezeugen kann.“
„Als Sie darum vorhin mir erschienen,“
„Hat die Angst sogleich mich übermannt,“
„Daß ich statt des Leuchtemann's vor Ihnen“
„Augenblicklich bin davon gerannt.“