Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/108

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Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
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„Als die Nasen wurden ausgetheilet,“
„Kam ich zur Vertheilung viel zu spat,“
„Denn ich hatte mich zu lang verweilet.“
„Da ich nun um eine Nase bat,“
„Hieß es: „„Du kannst keine mehr bekommen;““
„„Denn ein Jeder hat sich aus der Hütt',““
„„Die da leer steht, eine mitgenommen;““
„„Nimm Dir, wenn Du willst, die Hütte mit!““
„Ohne Nase wollte ich nicht gehen,“
„Da ich doch um ihretwillen kam,“
„Siehst Du, und so ist es denn geschehen,“
„Daß statt ihrer ich die Hütte nahm! —“
Meiner Mutter habe ich bereitet
Eine ähnliche Verlegenheit,
Die ihr meine Offenheit verleidet,
In der allernächsten Folgezeit.
Lehrer Köhler hatt' ein Aug' verloren,
Weil ihm Wurstbrüh' war hineingespritzt;
Dieses Unglück kam auch mir zu Ohren,
Die gehörig ich dabei gespitzt.
Doch als er mir selber wieder nahe
Kam zum ersten Mal in unserm Haus,
Und ich die Entstellung deutlich sahe,
Rief ich laut und voll Verwundrung aus:
„Ach, ein Glotzaug! ein abscheulich Auge! —“
Daß sich meine Mutter da geschämt,
Ich wohl Niemand erst zu sagen brauche;
Ihre Zunge war vom Schreck gelähmt.
Köhler sprach: „O, lassen Sie ihn gehen;“
„Denn er hat die Wahrheit nur gesagt,“
„Die zwar jetzo Alle an mir sehen,“
„Aber Niemand sonst zu sagen wagt!“
Was mich schon in meinen ersten Jahren,
Ohne daß ich's wüßte, hat gequält,
Sollt Ihr ebenfalls von mir erfahren,
Wie es meine Aeltern mir erzählt.
Als die Mutter mich entwöhnen wollte,
Reiste sie zu ihrer Schwester gern,
Wo sie das Geschrei nicht hören sollte
Ihres armen Säuglings in der Fern'.
Doch ich hatte gar zu lieb gewonnen
Meines Lebens ersten Nahrungsquell,
Da er nun auf einmal mir entnommen,
Schrie ich nach demselben laut und hell.
Surrogate, die sie mir erlaubten,
Schmeckten alle nicht so gut und echt,
Darum wollte mit Gewalt behaupten
Und erzwingen ich mein altes Recht.
Da mir dieses doch nicht konnte werden,
Schrie ich mich gewaltsam blau und roth
Und in Einem fort und mit Geberden,
Daß mein Vater dacht', ich schrie mich todt.
Daß ich nur nicht aus der Wiege fiele,
Legte er in Desperation
Mitten in die Stube auf die Diele
Seinen, nicht zu bändigenden Sohn.
Amtmann, Förster und noch andre Herren
Kamen zu ihm in dem Wittwerthum,
Da sie aber mich so hörten plärren,
Wandten in der Thür' sie wieder um.
Endlich wickelte in aller Kürze
Unsers Nachbars Gebhards Frau Marie
Aus Erbarmen mich in ihre Schürze,
Und entfloh mit mir, da ich noch schrie.
Als die Zeit nun kam, daß man mich impfe,
Nahm der Doctor Curtmann einem Kind,
Welches krätzig war, für mich die Lymphe,
Daß ich dadurch wurde voller Grind.
Eh' die Schulzeit war für mich gekommen,
Habe oft ich und aus freiem Trieb'
An dem Unterrichte Theil genommen,
Weil ich manche Schüler hatte lieb.
Denn so lange ihre Schule währte,
Konnt' ich auf der Gasse sie nicht sehn,
Da ich sie nun doch zu sehn begehrte,
Mußte ich auch in die Schule gehn.
Anfangs stand es ganz in meinem Willen,
Ob ich kommen wollte oder nicht,
Später suchte ich auch zu erfüllen
Eines jeden andern Schülers Pflicht.
Und in dieser Schule sind gewesen
Meine Lehrer: Köhler, Groh und Schmehl;
Rechnen, Schreiben, Singen, Beten, Lesen
Lehrten sie mich, doch nicht ohne Fehl.
Katechismus hab' ich bloß vom Hören
Und zwar wörtlich auswendig gelernt;
Aber an den wahren Sinn der Lehren
Dachte damals ich auch nicht entfernt.
Später hab' ich jährlich Theil genommen
An dem Confirmanden-Unterricht;
Da erst hab' vom Vater ich bekommen
Ueber jede Lehre helles Licht.