Bienenhaus
Die Lebensumstände im lokalen und regionalen Bereich mit den natürlichen und kulturellen zeitlichen Gegebenheiten geben Hinweise zur Anlage von Biografien unserer Vorfahren in der jeweiligen Generation. Land und Leute in ihrer Zeit, ihre Siedlung, Sprache, Kirche, und die Vernetzung ihres Lebensraumes. Kurzgefasste Informationen mit Grundlagen für notwendige Einblicke finden sich u.a. (Ackerbürger) im Deutschen Städtebuch ...
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Bienenhaus, Bienenhütte, Immenhues
- Imenkorw (ndd.) = Bienenkorb
- Niederdeutscher Spruch: „Mi sin de Immen dadöör gaon!“ (=ein Bienschwarm ist ausgeschwärmt)
Bedeutung:
- Ein Bienkorb oder Bienenstock war die Behausung eines ganzen Bienenschwarms, eines eigenständigen Bienenvolkes.
Wachskerzen als Leuchtmittel
Mit der Ausdehnung der Kirchen und Klöster im Mittelalter wuchs der Bedarf an Wachs für Kerzen als Leuchtmittel. Kerzen gaben erheblich mehr Licht her als Talg- und Ölleuchten. Mit ihnen ließ sich die ausnutzbare Zeit des Tages in den Schreibstuben der Klöster über die Dämmerung hinaus verlängern. Mit der Nachfrage stieg der Preis für das von den Bienen produzierte Wachs und das Produkt wurde als Naturalbgabe für Zinspflichtige von Grundherrschaften entdeckt.
Wachszinsige im Stift Gerresheim
Anno 905/906: Everwin nebst seinen beiden Schwestern, die Äbtissin Lantsvinda und Adalburga, entlassen 16 (namentlich aufgeführte) Eigenhörige mit deren Frauen und Kinder aus der Dienstbarkeit mit der Verpflichtung, der Kirche zu Gerresheim, unter deren Vormundschaft sie kommen, wachszinsig und kurmutspflichtig zu sein. Actum .... anno Luthuovici regis VI temporibus Herimanni Archiep. et Landswinde abbatisse. Ad vicem Herradi ego in dei nomine Ruotbraht hanc cartam ingenuitatis scripsi et subscripsi. [2]
Wachsanfall im Bienkorb
- Bei einer Pachtabgabe von Wachs bei den Naturalien kann man pro Pfund Wachsabgabe von der Haltung eines Bienenvolkes (Bienenkorb) ausgehen.
Umsiedlung der Bienen in Hausnähe
Hatten die Bienenvölker früher bei uns überwiegend in hohlen Bäumen außerhalb von Siedlungen gehaust, so hatte man im Mittelalter den Bienen bereits Nistplätze in Hausnähe angeboten. Diese waren so angelegt, dass die Bienen bei der Honigernte so wenig wie möglich gestört wurden.
Zu diesem Zweck bot man einem Bienenvolk ein ausgehöhltes Stück von einem Baumstamm (Holzklotz, Holzstock) an, welches, wie in der Natur, vorne mit einem Einflugloch für die Bienen versehen war. Auf der Rückseite wurde dann eine Klappe zur Entnahme der Honigwaben angelegt. Hierhin konnten Bienen direkt aus Wildbäumen mit Königin und Volk umgesiedelt werden.
Da die mit Honig gefüllten Wachswaben damals allerdings bei der Entnahme zerstört wurden, waren die Bienen danach zum Neubau der Waben aus Wachs gezwungen. Diese von den Bauern angelegten „Klotzbeuten“ oder "Bienstöcke" waren vermutlich die ersten transportablen Bienenbehausungen.
Bienstock als Erbe
Bienstöcke konnten ausdrücklich auch zur Erbmasse gehören:
- 17.04.1559 Vor Arnold Isfordinck von Steinfurt (Stenforde), päpstlicher Notar, erscheinen Claesz thon Poell und seine Frau Anna Provestinck, Bürger inder Stadt Münster, und bestimmen, da sie kinderlos sind und einem Streit unter ihren Verwandten vorbeugen wollen, ihren letzten Willen. Zunächst widerrufen beide Eheleute jegliche zuvor getroffenen Dispositionen. Sodann setzen sie sich gegenseitig zu Erben ein, so daß der überlebende Teil alle Güter erhält und diese nach seinem Gefallen nutzen darf. Jedoch vermacht Claesz seinem Bruder Johan thon Poele einen halben Taler und seiner Schwester Mette einen Bienenstock vom Erbe thom Poele. Auch Anna vermacht der Maria Berhorst, der Schwester ihrer + Mutter, einen Hornschen Gulden. Geschehen in Münster im Haus der Eheleute an der Hundstege. Zeugen: Meister Johann Boemer, Schneider, Bürger in Münster, und Jaspar Jarchuysz, Notar. [4]
Bienenkörbe als Bienenwohnungen
Im 17. Jahrhundert hatten sich bereits aus Stroh geflochtene Körbe mit einem Einflugloch für die Bienen durchgesetzt. Diese konnten über schwärmende Bienen gestülpt oder diese von Ästen in die Körbe abgeschüttelt werden um sie dann mit ihrer Königin an einen passenden Ort zu bringen. Auch bei diesen Körben wurde bei der Entnahme der gefüllten wächsernen Honigwaben der gesamte Wabenbau zerstört.
Bienkorb in der Justiz
- 1695 Hans Brunemeyer aus dem Amt Sternberg wird wegen wiederholter Dieberei verurteilt, 8 Tage am Pfahl von 9-1 Uhr zu stehen, ihm soll ein Bienenkorb auf den Rücken gebunden werden. Zuletzt soll er im Gefängnis mit Ruten scharf gestrichen werden. [6]
Bienkörbe zur Truppenversorgung
Aus der Erfassung der Kriegsschäden der Truppendurchmärsche im Siebenjährigen Krieg im Vest läßt sich ermitteln, das eine ziemliche Anzahl von Bienkörben zur Truppenversorgung beschlagnahmt wurden. Aus diesen Listen lassen sich die betroffenen Bienzüchter mit Namen ermitteln.
Zeitliche Preise
- 1758 Siebenjähriger Krieg im Vest (1756-1763) 2 abgenommene Bienenstöcke 2 Rt
Bienenkörbe zur Viehsteuer veranlagt
Ab 1802 wurden mit dem Vordringen Napoleons auch in Westfalen nach und nach Bienkörbe zur Viehsteuer erfaßt und einberechnet, unter Angabe der Bienenhalter.
Bienzucht und Familienforschung
Von Beginn an war die Bienzucht ein Bestandteil der Landwirtschaft und damit eine Einnahmequelle der Grundherrschaften. Da Wachs ein Bestandteil der Bienenzucht ist, lassen sich erhaltene Wachzinsregister auch für die Familienforschung auswerten. Bekannt sind z.B:
- Wachszinsregister der Abtei Werden ab dem Mittelalter
- Wachszinsregister des Stiftes Gerresheim ab dem Mittelalter
Fußnoten
- ↑ Örtlichkeit: Freilichtmuseum "Erve Kots" zu Lievelde (NL)
- ↑ Quelle: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen/Abteilung Rheinland, Bestand Gerresheim, Stift, Urkunden Nr. 3
- ↑ Örtlichkeit: Emsland Moormuseum
- ↑ Quelle: Vereinigte Westfälische Adelsarchive e.V., Bestand Ass.Uk - Archiv Assen, Urkunden Nr. 1261
- ↑ Örtlichkeit: Freilichtmuseum "Erve Kots" zu Lievelde (NL)
- ↑ Quelle: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen Abteilung Ostwestfalen-Lippe, Bestellsignatur : L 86 Nr. 47