Australische Auswandererbriefe (1934)/8

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Der Heimat Bild“ - Australischen Auswandererbriefen nacherzählt von Walter Fläming
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Der Heimat Bild Flaeming 1934.djvu
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Aber sagt ihr nur, es ging anders nicht; und wenn man nach Australien auswandert, darf man nicht jeden verschimmelten Dreier zehnmal umdrehen, ehe man ihn sich auszugeben traut. In dem Gasthof gibt es richtige Warenhäuser, in denen man alles haben kann, was ein Auswanderer braucht. Da kauften wir dann noch Blechgeschirr und Matratzen. Einem Manne, der damit sein Brot macht, übergaben wir unsere Kisten, die er vom Bahnhof aufs Schiff bringen sollte. Doch mußte er uns versprechen, sie drei Tage hindurch im Trockenen unter Dach und Fach zu lagern. Am Sonnabend, dem 24. September, kauften wir auf Anraten von Leuten, die was vom Auswandern verstehen, noch allerlei ein. Abends gingen wir aufs Schiff[1], wo es noch Tee gab. Vom Sonntag ab erhielten wir Schon volle Ration. Alle Stunden kamen neue Auswanderertrupps an Bord. Aus allen Teilen Deutschlands kamen sie, besonders aber Schlesier, Thüringer und Süddeutsche. Auch aus dem Magdeburgischen sahen wir ein paar Familien. Bald war das ganze Schiff gefüllt.

Mit vollen Segeln nach Australien

      Endlich, am 28. September, kam ein Dampfschiff auf uns zu, das schleppte uns aus dem Hafen. Mit vollem Hurra ging es vorwärts. Aber um Uhr saßen wir auf einer Sandbank fest, weil die Elbe nur Fuß tragen konnte, unser Schiff aber 17½ Fuß tief ging. Zwei Stunden dauerte es, bis man uns losgewunden hatte. Und da die Ebbe nahe war, ging es eine Meile zurück. Da ankerten wir. Den ganzen 29. September über lagen wir still; aber am andern Tage gegen 1 Uhr des Mittags ging es wieder vorwärts. Nachmittags um 4 Uhr wurde schon wieder bei Glückstadt geankert. Sonnabend, den 1. Oktober, ging es endlich ohne die Hilfe des Dampfers mit vollen Segeln weiter. Schon mittags um 1 Uhr verloren wir recht von uns das holsteinische Land aus den Augen, denn hier hat ja die Elbe schon eine Breite von deutschen Meilen. Bei Cuxhaven, wo viele Schiffe auf günstigen Wind lauerten, warfen wir abermals Anker. Endlich, am 5. Oktober, ging es in die freie See. Schon nach einer halben Stunde Fahrt sahen wir weder Land noch Sand. Hier stellte sich schon die Seekrankheit ein. Und das war auch für die noch Gesunden keine appetitliche Sache.

      Nun brausten wir aus der Nordsee mit vollen Segeln gegen Mitternacht. Am 10. Oktober passierten wir aber erst den Kanal zwischen Frankreich und England. Abends leuchteten die Lichter einer englischen Stadt zu uns herüber, so nahe fuhren wir an der Küste vorbei. Als wir andern Tags ein Schiff einholten, das lange vor uns in den Kanal gegangen war, ließ der Kapitän etwas anhalten, so daß er mit denen auf dem andern Schiff reden konnte. Dazu brauchte er eine riesige Sprechtüte aus Blech.

      Am 13. Oktober hatten wir dann den Ozean erreicht. Schon am nächsten Tage begegneten wir den ersten großen Fischen von 3 bis 4 Fuß Länge. Solche haben wir später noch viele gesehen. Hier wurde die Luft schon wärmer; viele schliefen die ganze Nacht auf dem Deck und aßen auch da. Am 19. Oktober ging eine Schreckensnachricht durch das Schiff. Eine böse Krankheit war ausgebrochen. aber keiner verriet uns ihren Namen. Da mußten wir denn alles Bettzeug auf das Deck bringen, während die Kojen und das Zwischendeck geräuchert und gescheuert wurden. Wo einer gestorben war, wurde mit Teer und einem stark riechenden Pulver besonders geräuchert. Die Krankheit war so böse, daß die Menschen in Stunden rot und tot waren. Jedoch sind daran nur 7 in den ersten Tagen und 4 nach längerer Krankheit gestorben. Jetzt waren alle Passagiere wie zerschlagen, und niemand mehr wollte Rindfleisch essen, sondern sie warfen es alle über Bord in die See.

      Aber schon am Oktober waren die meisten wieder vergnügt. Da hatten wir Tanzmusik; denn es gibt bei so bunt zusammengewürfeltem Volk immer Handharmonika-, Geigen- und Gitarrenspieler.


  1. Anm. der Red.: Wahrscheinlich die Cesar Goddefroy.