Australische Auswandererbriefe (1934)/30

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Der Heimat Bild“ - Australischen Auswandererbriefen nacherzählt von Walter Fläming
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So verlangt es der Vater; und hast Du das nicht, dann zieht er Dir die Ohren lang; und das kann er recht schmerzlich. Wer ein Loch im Zaun steht, muß es gleich mit Draht flicken. Dabei reißt man sich manchmal die Finger blutig.

      Zu allererst waren die Karnickel bei uns im Staate Südaustralien, dann gingen sie aus Wanderschaft. Aber die andern Länder hatten schon Wind davon bekommen und dankten für solchen Besuch; zuerst Neu-Südwales. Das sperrte seine ganze Grenze mit einem unendlich langen Karnickelzaun ab. Geholfen hat das nichts. Denn - habt Ihr eine Ahnung davon, wie australische Karnickel rennen können! Sie gingen immer am Zaun entlang. Nach vielen hundert Meilen hörte er endlich auf. Da hatten sie es geschafft. Sie sagten: So muß man es machen. Beharrlichkeit führt zum Ziel! Nun gingen sie auf der andern Seite wieder landab und sagten denen in Neu-Südwales Guten Tag!

      Bloß Westaustralien soll noch frei von Karnickeln sein; aber auch bloß noch die Westprovinz. Da läuft der Karnickelzaun von Mittag nach Mitternacht. Er fängt bei dem einen Meer an und hört bei dem andern Ozean auf. Das habe ich in dem großen Australienbuch gelesen. Ganze Schwadronen Boundary Riders - das meint: Grenzreiter - sind Tag und Nacht zu Pferde, um auf die Karnickel aufzupassen und den Zaun zu flicken.

      Nicht wahr, das ist eine Landplage. Und wie verkehrt es in der Welt zugeht: Ihr bestraft die Karnickelfänger; bei uns kriegen sie Prämien. Ich glaube, los werben wir sie bloß, wenn der Herrgott sie selber abruft. So viele Leute gibt es hier gar nicht, daß sie all das Karnickelfleisch essen können von den Tieren, die wir erlegen. Und die Felle von Karnickeln gibt es wie Sand am Meer. Kein Mensch will sie kaufen. Darum geben wir uns gar keine Mühe, von Karnickeln Schillinge zu machen. Die buddeln wir gleich ein; dann sind wir sie los. Vater meint, wir sollen froh sein, wenn wir die unausstehlichen Biester vom Halse kriegen. So ist das also bei uns mit den Karnickeln.

      Liebe Onkels und Tanten! Liebe Vettern und Basen! Ist das nicht ein feiner Karnickelbrief geworden? Vater meint, ich müßte Euch noch weiter schreiben. Ihr sollt Euch doch ja vor dem Engländer in Acht nehmen. Hier in unsern Zeitungen reißen sie gewaltig das Maul auf über jedes Schiff, das Deutschland baut. Kein Stück deutsche Ware kommt heraus, auf dem nicht ein Stempel zu lesen ist: Made in Germany. Wir alle hier kaufen bloß Made-in-Germany-Waren. Und viele andere Leute auch. Sie sagen, sie seien besser als der englische Schund. Und dann sagt Vater auch, England wäre dabei und hetze alle Nachbarvölker auf Deutschland: Frankreich und Rußland und so.

      Auch bei uns sind sie jetzt ganz frech. Neulich haben wir einen Brief gekriegt von meinem Bruder Wilhelm aus Adelaide. Da steht drin, alle unsere Orte hier mit deutschem Namen sollen englisch umgetauft werden. Aber das lassen wir uns nicht gefallen, jawoll! Wir sind deutsch und wollen deutsch bleiben!

Die Knechtschaft des Krieges

den 1. Oktober 1922

Liebe Verwandte!

      Ihr meint gewiß, hier lebt keine Seele mehr. Den letzten Brief von Euch bekamen wir im Juni 1914. Da liegt eine bittere Zeit zwischen. Vater mit seinen 72 Jahren ist nun doch ins Altenteil gegangen; und ich als der Jüngste bin jetzt mit 26 Jahren schon Herr auf unserer großen Farm. Vater hat sie vor zwei Monaten mir überschrieben.

      Es hat sich auch sonst bei uns vieles geändert. Daß Australier gegen Deutschland zu Felde standen, wißt Ihr ja. Es sollen alles freiwillige Divisionen gewesen sein. Na, ich danke! Seht, so ging das. Erst setzte eine große Deutschenhetze ein.