Anna Preukschat Sieben Jahre in sibirischen Arbeitslagern

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Vorwort

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Anna Hoppe, ein Schicksal unter vielen anderen dieser Zeit

Anna Hoppe, geb. Preikszat

Anne Preikschat


  • Anna Hoppe blieb in den Endzeitwirren des Krieges in ihrem Heimatort, da ihr Mann und ihr Sohn an der Front waren und ihre Tochter dienstverpflichted war. Silvester 1946 gab sie flüchtenden deutschen Soldaten der Kurlandarmee Unterkunft und Verpflegung. Sie wurde verraten und mehrere Monate in Heydekrug ins Gefängnis gebracht.Sie durfte tagelang nicht sitzen oder liegen, nur stehen.


Das Urteil lautete auf drei Jahre Gefängnis. Das bedeutete Sibirien. Aus den drei Jahren wurden siebeneinhalb.

Suchanfrage beim Deutschen Roten Kreuz 1948
Antwort des DRK auf die Suchanfrage 1953
  • 1948 wurde vom DRK Kreisverband Delmenhorst ein Suchauftrag erstellt. Es konnten nur vage Angaben zu Frau Hoppe gemacht werden. Über den Verbleib gab es nur den Hinweis, dass sie nach Sibirien verschleppt wurde und Zwangsarbeit leisten müsste.
  • Frau Hoppe musste in zwei Arbeitslagern (in den Dokumenten werden Kasachstan, Nowosibirsk und Kirgisensteppe erwähnt) als Frau viel erleiden und gegen Hunger, Kälte, Schnee und Malaria ankämpfen. Zunächst musste sie alleine 800 Schafe hüten, obwohl Wölfe in der Nähe waren.
  • Später arbeitete sie in der Wäscherei. Das Schlimmste war jedoch die Ungewissheit über den Verbleib Ihrer Familie.
  • Durch Heimkehreraussagen vom Suchdienst des Deutschen Roten Kreuz erfuhren die Angehörigen in Westdeutschland, dass Anna Hoppe in Sibirien war. Dadurch kam ein Briefwechsel zustande.
  • 1953 stellte der Suchdienst des DRK in Hamburg für Gertrud Auschra, die Tochter, eine Mitteilung aus, die den Verbleib des Bruders Franz Johann Hoppe und die Mutter betraf. Beim Bruder konnte nicht geholfen werden, und man verwies Gertrud Auschara auf das DRK in Hannover. Für die Mutter gab es wenigstens eine Bestätigung über den Eingang des Schreibens vom 7. Februar 1953.

Immerhin war das Kriegsende zu diesem Zeitpunkt schon fast acht Jahre her!

Entlassen

Schreiben des Suchdienstes des DRK 1954
  • 1954 wurde sie entlassen, und nachdem sie sich das Fahrgeld erspart hatte, konnte sie - nicht nach Westdeutschland - sondern nach Heydekrug fahren.

Die Fahrtkosten betrugen 513 Rubel. War sie wirklich frei? Nein, denn sie war nicht mit ihrer Familie vereint.

  • Es begann ein endloser Papierkrieg:

Gertrud Auschra, die Tochter, erhielt mit dem Datum 14. September 1954 vom Suchdienst Hamburg ein Schreiben, in dem auf das Verfahren zur Aussiedlung eingegangen wurde.
Der Inhalt des Schreibens spiegelt aber auch die komplizierten politischen Verhältnisse jener Zeit wieder. Da gab es Litauen, das durch die Sowjetunion einverleibt war, und die SBZ
(= sowjet. besetzte Zone oder auch DDR, die von der ebenso jungen Bundesrepublik nicht anerkannt war). Ostpreußen existierte nicht mehr.

Es geht was...

28.11.1956
25.10.1956
  • Mit dem Schreiben vom 25. Oktober 1955 aus Düsseldorf konnte die Einreise nach Westdeutschland beantragt werden.

Es wurde von einem Dolmetscher aus Bremen zur Vorlage bei den sowjetischen Behörden übersetzt. Es ist die Genehmigung der deutschen Behörden, über Friedland einzureisen und nach Marl zu ihrem Mann Franz Hoppe zu ziehen.

Anna Hoppe wohnte zu diesem Zeitpunkt in Šilutė (Heydekrug), in der Valstiečių gatvė 12, Bezirk Klaipėda, Litauen

Sie stellte Anträge an die Botschaft der BRD in Moskau auf einen Reisepass, der aber nur von der Milizbehörde am Wohnort genehmigt werden konnte und wurde schließlich auf eine Liste zur Rückführung von Deutschen beim Ministerium für Auswärtiges in Moskau gesetzt.

Durchreisevermerke für die DDR und Polen mußte sie selbst beantragen. Das Ganze dauerte 4 Jahre.

Zu dieser Zeit gab es in Westdeutschland die staatliche "Wohnraumbewirtschaftung" (bis 1966). 20% der Wohnungen waren durch den Krieg zerstört worden. Ein Zuzug aus einem anderen Gebiet war von einer Genehmigung abhängig.

Endlich in Friedland

Ablaufplan im Genzdurchgangslager Friedland
  • Am 24.8.1958 traf sie in der BRD im Grenzdurchgangslager Friedland ein. Ihre Tochter konnte sie kaum wiedererkennen.

Bis zur Einreise nach Westdeutschland war die Ernährungslage für viele Menschen aus den östlichen Gebieten angespannt. Die Sorge um das eigene Schicksal und das der Familie, die Arbeitsbelastung und nicht zu vergessen die Verurteilung zur Zwangsarbeit nagten an Anna.

Welche Erleichterung war es für sie und die vielen Menschen, Friedland zu sehen? Das Gefühl befreit zu sein ist wunderbar.

Aber auch in Friedland forderte die Bürokratie die "Neuankömmlinge". Damit auch nichts vergessen wurde, gab es einen Laufzettel.
Für Menschen ohne Unterkunft gab es eine Verteilung auf Länder und Orte.

Anna hatte Marl als Ziel. Sie wollte zu ihrem Mann! Letztlich trafen sich alle Familienmitglieder bei der Tochter in Achim.

Der Kampf mit den Behörden

  • In Westdeutschland begann ein erneuter Papierkrieg:

Leistungen nach dem Häftlingsentschädigungsgesetz konnten zunächst nicht entsprochen werden, da sie zum einen später als 6 Monate nach Haftentlassung in die BRD gekommen war und außerdem gegen die Gesetze der Sowjetunion verstoßen hatte, d.h. durch ihr "persönliches Verhalten" die Inhaftierung verschuldet hatte. Später wurde sie durch eine Härtefallregelung entschädigt: 250 DM pro 1/4 Jahr geltend ab dem 3. "Gewahrsamsjahr". Von der Staatsbank der UdSSR bekam sie für ihre Arbeit einmalig 1200 Rubel= 499,80 DM.
Bei der ärztlichen Untersuchung wurde z.B. ihr steifes linkes Knie nicht als Folge von Kolbenschlägen, sonders als Alterserscheinung eingestuft. Eine Mütterkur wurde abgelehnt und sie musste sie selbst bezahlen.

Der Kampf mit den Behörden zog sich bis 1972, also bis nach dem Tod von Anna Hoppe im Jahre 1968 hin. Erst dann wurde ein endgültiger Bescheid über die Entschädigung ausgestellt.

Schreiben des Versorgungsamtes 09.10.1958
Bescheinigung-Häftlingshilfegesetz 15.12.1958
Bescheid zur Entschädigung
19.12.1962

Mit freundlicher Genehmigung von Reinhard Auschra, des Enkels von Anna Hoppe.